15. September 2019

Gold, das nicht glänzt.

Subjektive Ausschweifungen über Tourismus in Ghana und Hilfsprojekte in Afrika:


Ghana gilt allgemein als sicheres und politisch stabiles Reiseland. Dies hat zur Folge, dass sich hier (zum ersten Mal seit Marokko) auffallend "viele" Touristen tummeln. Touristen wiederum haben dann zur Folge, dass man Banana Pancakes zum Frühstück bekommt, die Menü Karte eine ganze Seite an vegetarischen Gerichten beinhaltet und es angenehm schöne und günstige Unterkünfte gibt.


Was durch viele Touristen in einem Land häufig verloren geht, ist der Abenteuer-Faktor beim Reisen - doch davon hatten wir in der letzten Zeit so viel, dass wir vorerst gerne darauf verzichten können. Ghana wird häufig als "Africa for Beginners" beschrieben - da scheint was dran zu sein.

Obwohl die Landessprache hier glücklicherweise wieder Englisch ist, erweist es sich streckenweise als sehr schwierig die Menschen zu verstehen. Im Gegenzug verstehen sie uns genauso wenig. Ich vermute, es liegt daran, dass wir auf eine andere Weise, mit anderen Worten kommunizieren als man es hier gewohnt ist. Wir arbeiten daran unser Englisch zu afrikanisieren...
Zumindest die Namen der Menschen sind einfach zu verstehen. In Ghana gibt es nämlich nur jeweils 7 verschiedene Namen für Männer und 7 für Frauen. Wer welchen Namen erhält, richtet sich nach dem Wochentag an dem er/sie geboren wurde. Kofi Anan (ein Ghanaer) ist demnach wie alle anderen Kofis im Land an einem Freitag geboren.

Zur Akklimatisierung in den Tourismus beginnen wir die Reise durch dieses Land in Bosua, dem favorisierten Strandort aller Weißhäuter. Die Hauptattraktion ist hier eindeutig das Abhängen am Strand und der dazugehörige, entspannte Hippie/Surfer/Backpacker Vibe. Außer gut essen, neue Bekanntschaften schließen und relaxen, kann man hier eigentlich nichts tun. Trotzdem beschließen wir bereits am zweiten Tag unser Ghana-Visum von 30 auf 60 Tage zu verlängern.
Schnell kennen wir alle wichtigen Persönlichkeiten des kleinen Ortes: "Dan the Pancake man", "Jack the Juiceman" und "Francis the Flowerbag man", letzterer verfolgt die Geschäftsidee aus alten Mehlsäcken Kleidung für Touristen zu schneidern.
Nach 10 Tagen in denen wir - in einer Zeitschleife gefangen - die Kunst des gepflegten Abhängens und Nichtstuns perfektioniert haben, ist es Zeit weiter zu ziehen um das „echte“ Ghana kennen zu lernen. Das Leben in der Touristen-Blase kann sehr reizvoll sein, ist aber schließlich nicht das Ziel unserer Reise.
Terrasse unseres Hotels: Von dort aus sind es genau 25 Meter bis zu unserem Lieblings-Restaurant nebenan.



Die Küste Ghanas wird auf Grund des ehemals hohen Aufkommens von Gold und anderen Rohstoffen auch als „Gold Coast“ bezeichnet.
In Cape Coast stehen wir hier mal wieder den Trümmern der dunklen Kolonial-Geschichte gegenüber, die leider so gar nicht golden ist. Das Fort „Cape Coast Castle“ diente verschiedenen westlichen Ländern, insbesondere aber den Briten, als Zentrale des Sklavenhandels West-Afrikas. In einer ergreifenden, sehr informativen Tour besuchen wir die dunklen und feuchten Keller-Verliese der Burg. Hier mussten die aus dem Land zusammengesammelten Sklaven monatelang darauf warten, durch die „Door of no Return“ gehen zu dürfen, um auf Boote verfrachtet zu werden, die sie über die Weltmeere deportierten. Die Tour findet in einer größeren Gruppe statt, in der wir die einzigen beiden Weißen sind, was sich in diesem Kontext irgendwie komisch anfühlt.

Cape Coast Castle

Verliese im Keller der Burg, hier wurde die menschliche Ware "gelagert"



Elmina Castle: ähnliche Geschichte etwa 25km weiter die Gold Coast hinunter

Fischersiedlungen entlang der Gold Coast


Immer wieder wird man hier in Afrika mit der Nase darauf gestoßen wie viel Unsinn unsere westliche Welt hier in der Vergangenheit fabriziert hat und noch immer praktiziert. Man bekommt den Eindruck, Afrika war und sei für den Rest der Welt nicht mehr als eine unerschöpfliche Grube verschiedenster Ressourcen.
Immerhin gibt man sich Mühe dies auf verschiedenen Ebenen zu vertuschen.
Viele „sogenannte“ Hilfsprojekte ausländischer Regierungen entpuppen sich bei genauerem Hinsehen nur als Gegenleistung für den kostenlosen Abtransport wertvoller, lokaler Rohstoffe. Danach stellt das Land dann ein Schild auf und deklamiert, dass man etwas Gutes getan hat.

Zahlreiche NGOs schicken hochbezahlte Mitarbeiter hierher, die den Einheimischen zeigen sollen, wie sie ihr Land und Leben verbessern können/sollen. In der vollsten Überzeugung unsere westliche Lebensart sei auch für jedes andere Land erstrebenswert. Unverzüglich nach ihrem Einsatz (und dem Stopp der Spendengelder) gehen diese Projekte dann den Bach hinunter, da mit einem westlichen Mindset geplant wurde, anstatt vor Ort zu fragen was Menschen hier brauchen und wollen.

Neben dem Tourismus hat Ghana ein breites Angebot an Volunteer-Programmen etabliert. Volunteers sind meist sehr junge Europäer, die nach Abschluss der Schule hierher kommen um „etwas Gutes, Sinnvolles“ zu tun. Was mir von Deutschland aus betrachtet immer als sehr löblich erschien, bekommt hier ebenfalls eine neue Dimension. Ist es nicht viel eher so, dass man mit einem solchen Einsatz etwas für sein eigens Gewissen (oder den Lebenslauf) tut? Indem man sich gut fühlt „den armen, hilflosen Afrikanern“ als privilegierter Europäer zu "helfen"... Und was genau kann man als unqualifizierter Europäer hier in ein paar Wochen oder Monaten tun, was nicht auch die Einheimischen leisten könnten? Blockiert man durch dieses gehäufte Auftreten von freiwilligen ausländischen Arbeiter nicht eher Arbeitsplätze die besser von Ghanaern belegt werden sollten?

Viele Beispiele zu diesen (meiner Meinung nach) fragwürdigen Ansätzen von Entwicklungshilfe haben wir selbst gesehen, oder aus erster Hand davon gehört. Wie auch immer, es bleiben subjektive Eindrücke, denn wir sind keine Experten auf diesem Gebiet und auch einen Lösungsvorschlag haben wir nicht zu bieten...
Als ersten kleinen Schritt könnte jeder im bequemen Europa darüber nachdenken, wie es wohl sein kann, das Dinge wie beispielsweise Kaffee oder Schokolade bei uns so günstig sind. Wie viele „moderne Sklaven“ lassen wir heute noch immer für uns arbeiten?

Nach der Gold Coast besuchen wir Kumasi im Inland Ghanas. Angeblich gibt es hier einen der größten Märkte Afrikas. Das glauben wir sofort, denn eigentlich besteht die gesamte Stadt nur aus bunten Marktständen. Wer keinen Stand besitzt steht auf der Straße und trägt irgendetwas auf dem Kopf oder in den Händen, dass verkauft werden soll. Für ein paar Tage sehr interessant anzusehen, jedoch auf Dauer auch anstrengend.
Im Anschluss an dieses Gewusel brauchen wir jedenfalls wieder eine kleine Auszeit in der Natur, am nur 40 km entfernten Bosomtwe See. Unser Zelt können wir direkt am Ufer des Sees aufbauen und haben (im Vergleich mit den teuren Lodge-Zimmern) den mit Abstand schönsten Stellplatz. Ein absoluter Wohlfühl-Ort. Die schönsten Momente sind die Morgende, an dem man den Reißverschluss des Zeltes aufmacht und beobachtet wie sich langsam der Nebel über dem See lichtet, während man den ersten Kaffee trinkt.

Streetfood auf Kumasis Straßen

Reizüberflutung
Absoluter Kontrast zu Kumasi: Einsamkeit, Natur und Ruhe am Bosomtwe See



Bester Frühstücksort! Wir entdecken Peanut Butter mit Apfelscheiben als Brotbelag

Am See lernen wir eine nette holländische Familie kennen, durch die wir glücklicherweise noch Einblick bekommen in ein Hilfsprojekt, das uns überzeugen kann. Die gesamte Familie arbeitet in den Ferien im Projekt „PCC - Hand in Hand“. Mit niederländischen Spendengeldern hat man hier vor mehr als 20 Jahren ein kleines Dorf aufgebaut, in dem heute ca. 100 mental und/oder körperlich beeinträchtigte Kinder mit ihren Betreuern leben. Ein behindertes Kind wird in Ghana leider bis heute als Unglücksbote für die Familie oder sogar das ganze Dorf gesehen und deshalb oft verjagt und verstoßen. Hier finden diese Kinder ein neues Zuhause und werden durchgehend betreut und beschäftigt. Neben einem niederländischem Paar, dass sie ums Fundraising und die Leitung kümmert arbeiten hier ausschließlich Ghanaer. Das Projekt hat ein Guesthouse und ein Restaurant auf seinem Gelände und Besucher sind sowohl bei den Kids wie auch den Mitarbeitern herzlich willkommen. Da wir beide nacheinander krank werden (der Test sagte KEIN Malaria) bleiben wir insgesamt über eine Woche hier.
Wer am Ende des Monats noch Geld auf seinem Konto hat und nicht weiß wohin damit: Hier wird es sicherlich sinnvoll verwendet! Mehr Infos zu dem Projekt findet Ihr bei Interesse hier.


Eingang ins "Dorf"

Diese Python Schlange wurde während unserem Aufenthalt auf dem Gelände des Projekts entdeckt und erschlagen.

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