Wir haben ihn gefunden! Den
Ort an dem der Prototyp der Menschheit lebt!
Nach einem Monat in
Melbourne haben wir beschlossen, dass hier die “perfektesten” Menschen leben
denen wir je begegnet sind.
Das Verhalten: Der
Melbourner ist unglaublich freundlich und hoeflich... und das in JEDER Lebenssituation.
In
Geschaeften, Restaurants oder Cafes wird man so freundlich empfangen und
beraten, dass einem garkeine andere Wahl bleibt als alles zu kaufen. Grundsaetzlich
wird man mit strahlendstem Laecheln begruesst und gefragt wie es einem heute so
geht (sogar bei Aldi). Eine ernsthafte Antwort auf die Frage nach dem Befinden
erwartet natuerlich niemand. “I am fine, and you?” sollte die Antwort lauten, ganze
gal ob das der Wahrheit entspricht oder nicht. Immer wieder muss ich daran
denken wir lustig es waere auf diese Frage in aller Ausfuehrlichkeit zu
antworten und der freundlichen Verkaeuferin eine Stunde lang mein Herz
auszuschuetten.
Auch die Menschen auf der
Strasse ueberschlagen sich in ihrer Freundlichkeit geradezu. Wenn ich mich mal
wieder verlaufen habe (was oft passiert) und nach dem Weg frage wird dieser in
grosster Ausfuehrlichkeit erklaert oder bei Ahnungslosigkeit grundsaetzlich auf
dem Smartphone gegoogelmapt. Auch wenn man nur verwirrt und wegsuchend aussieht
wird man schon hilfsbereit angesprochen. Schon zwei mal ist es mir passiert,
dass wildfremde Menschen mich auf dem Weg zur Arbeit mit einem froehlichen “Good
morning gorgeous, how are you?” begruesst haben…einfach so. Das fuehrt bei mir
jedesmal zu groesster Verwirrung, da ich immer denke den Leuten sicher schon
einmal begegnet zu sein (dem ist jedoch nicht so).
Was machen die Menschen hier bloss wenn sie mal schlechte Laune haben? Sperren sie sich dann im Keller ein?
Das Aussehen: Der Melbourner
sieht gut aus. Naja, sagen wir leiber er entspricht dem gaengigen
Schoenheitsideal. Kaputte Schuhe und verdreckte Kleidung sieht man hier genauso
selten wie uebergewichtige Menschen. Man ist stets passend und ordentlich
gekleidet, die Schuhe passen zum Guertel, beides wiederrum zu den Ohrringen
oder zum Hut. Die Menschen auf der Strasse kommen mir manchmal vor wie aus
einem Modemagazin herausgeschnitten. Die Haare immer perfekt frisiert, das Make up nie verschmiert. Besonders beim Ausgehen am Wochende wird
masslos uebertrieben. Um einfach nur in eine Disco oder was trinken zu gehen putzt
man sich hier so heraus als wenn man bei uns zu einer Hochzeit gehen wuerde.
Die Ernaehrung: Der
Melbourner lebt aeussert Ernaehrungs- und Koerper-bewusst. Keine Ahnung ob das in
Deutschland gerade auch so ein Hype ist, hier gibt es auf jeden Fall kaum noch
Produkte die Gluten enthalten. Die Aufschrift “Gluten free” prangert auf fast
saemtlichen Nahrungsprodukten: auf Kuchen in den Cafes, auf Broten in der
Baecherei auf zahlreichen Produkten in den Supermaerkten und… ok, auch auf dem
Eis das ich verkaufe. Auch “dairy free” ( Milchprodukt frei) wird hier
bevorzugt gegessen, zusaetzlich gibts an jeder Ecke Geschaefte die “gesunde,
sportliche” Nahrungsergaenzungspraeperate in pulverform in grossen Dosen
verkaufen…das braucht man dann wohl auch wenn man sonst nichts mehr isst.
Ihr
koennt euch nicht vorstellen wieviele Leute das Eis das ich verkaufe kritisch
betrachten und dann fragen welche Sorten Dairy oder Gluten free sind. Letztens
wurde mir diese Frage sogar von zwei kleinen Kindern gestellt und ich war kurz
davor auszurasten. Gehts noch? Das ist Eis! Das ist man weils lecker ist und
scheisst gefaelligst auf die Gesundheit!
Positiv ist jedoch
anzumerken, dass die Leute hier scheinbar sehr viel mehr als in Deutschland auf
fair-trade Produkte, Nachhaltigkeit, bio oder organic achten. Ich habe das
Gefuehl hier wird nicht einfach das billigste gekauft, sodern eher das beste,
egal was es kostet. Das wiederrum haengt wohl aber auch damit zusammen, das es
den Leuten hier einfach gut geht. Die Gehaelter sind durchgehend hoch und Armut
gibt es selten zu sehen.
Am fruehen morgen und in
den Abendstunden sind die Parks voll mit joggenden und sit-up machenden
Menschen, denn auch sportlich muss sich der perfekte Mensch natuerlich in
ausgiebigem Masse betaetigen.
Insgesamt fuehlt man sich
hier manchmal wie in Pleasentville (fuer alle die den Film kennen). Auf der
einen Seite ist diese Perfektion irgendwie gruselig und anormal, auf der
anderen Seite aber auch angenehm und sympatisch. Was ich hier bisher auf jeden
Fall vermisse sind die Ausnahmen und Ausbrecher aus diese heilen Welt. Wo ist
hier die alternative Szene? Wo sind die Punks? Die Anarchisten? Die Aussteiger?
Die Obdachlosen? Die betrunkenen Herumpoebler? Bitte melden!
Ich werde mein bestes tun
mich in diese perfekte Gesellschaft aus Prinzip NICHT zu integrieren. Ich werde
weiterhin unfreundlich sein zu Menschen die ich nicht mag, ich werde weiterhin
meine Chucks tragen bis sie auseinander fallen und ich werde vorallem weiterhin
alles essen worauf ich Lust habe!
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