15. September 2013

Prototyp Uebermensch

Wir haben ihn gefunden! Den Ort an dem der Prototyp der Menschheit lebt!
Nach einem Monat in Melbourne haben wir beschlossen, dass hier die “perfektesten” Menschen leben denen wir je begegnet sind.

Das Verhalten: Der Melbourner ist unglaublich freundlich und hoeflich... und das in JEDER Lebenssituation. 
In Geschaeften, Restaurants oder Cafes wird man so freundlich empfangen und beraten, dass einem garkeine andere Wahl bleibt als alles zu kaufen. Grundsaetzlich wird man mit strahlendstem Laecheln begruesst und gefragt wie es einem heute so geht (sogar bei Aldi). Eine ernsthafte Antwort auf die Frage nach dem Befinden erwartet natuerlich niemand. “I am fine, and you?” sollte die Antwort lauten, ganze gal ob das der Wahrheit entspricht oder nicht. Immer wieder muss ich daran denken wir lustig es waere auf diese Frage in aller Ausfuehrlichkeit zu antworten und der freundlichen Verkaeuferin eine Stunde lang mein Herz auszuschuetten.
Auch die Menschen auf der Strasse ueberschlagen sich in ihrer Freundlichkeit geradezu. Wenn ich mich mal wieder verlaufen habe (was oft passiert) und nach dem Weg frage wird dieser in grosster Ausfuehrlichkeit erklaert oder bei Ahnungslosigkeit grundsaetzlich auf dem Smartphone gegoogelmapt. Auch wenn man nur verwirrt und wegsuchend aussieht wird man schon hilfsbereit angesprochen. Schon zwei mal ist es mir passiert, dass wildfremde Menschen mich auf dem Weg zur Arbeit mit einem froehlichen “Good morning gorgeous, how are you?” begruesst haben…einfach so. Das fuehrt bei mir jedesmal zu groesster Verwirrung, da ich immer denke den Leuten sicher schon einmal begegnet zu sein (dem ist jedoch nicht so). 
Was machen die Menschen hier bloss wenn sie mal schlechte Laune haben? Sperren sie sich dann im Keller ein?

Das Aussehen: Der Melbourner sieht gut aus. Naja, sagen wir leiber er entspricht dem gaengigen Schoenheitsideal. Kaputte Schuhe und verdreckte Kleidung sieht man hier genauso selten wie uebergewichtige Menschen. Man ist stets passend und ordentlich gekleidet, die Schuhe passen zum Guertel, beides wiederrum zu den Ohrringen oder zum Hut. Die Menschen auf der Strasse kommen mir manchmal vor wie aus einem Modemagazin herausgeschnitten. Die Haare immer perfekt frisiert, das Make up nie verschmiert. Besonders beim Ausgehen am Wochende wird masslos uebertrieben. Um einfach nur in eine Disco oder was trinken zu gehen putzt man sich hier so heraus als wenn man bei uns zu einer Hochzeit gehen wuerde.

Die Ernaehrung: Der Melbourner lebt aeussert Ernaehrungs- und Koerper-bewusst. Keine Ahnung ob das in Deutschland gerade auch so ein Hype ist, hier gibt es auf jeden Fall kaum noch Produkte die Gluten enthalten. Die Aufschrift “Gluten free” prangert auf fast saemtlichen Nahrungsprodukten: auf Kuchen in den Cafes, auf Broten in der Baecherei auf zahlreichen Produkten in den Supermaerkten und… ok, auch auf dem Eis das ich verkaufe. Auch “dairy free” ( Milchprodukt frei) wird hier bevorzugt gegessen, zusaetzlich gibts an jeder Ecke Geschaefte die “gesunde, sportliche” Nahrungsergaenzungspraeperate in pulverform in grossen Dosen verkaufen…das braucht man dann wohl auch wenn man sonst nichts mehr isst. 

Ihr koennt euch nicht vorstellen wieviele Leute das Eis das ich verkaufe kritisch betrachten und dann fragen welche Sorten Dairy oder Gluten free sind. Letztens wurde mir diese Frage sogar von zwei kleinen Kindern gestellt und ich war kurz davor auszurasten. Gehts noch? Das ist Eis! Das ist man weils lecker ist und scheisst gefaelligst auf die Gesundheit!
Positiv ist jedoch anzumerken, dass die Leute hier scheinbar sehr viel mehr als in Deutschland auf fair-trade Produkte, Nachhaltigkeit, bio oder organic achten. Ich habe das Gefuehl hier wird nicht einfach das billigste gekauft, sodern eher das beste, egal was es kostet. Das wiederrum haengt wohl aber auch damit zusammen, das es den Leuten hier einfach gut geht. Die Gehaelter sind durchgehend hoch und Armut gibt es selten zu sehen.
Am fruehen morgen und in den Abendstunden sind die Parks voll mit joggenden und sit-up machenden Menschen, denn auch sportlich muss sich der perfekte Mensch natuerlich in ausgiebigem Masse betaetigen.

Insgesamt fuehlt man sich hier manchmal wie in Pleasentville (fuer alle die den Film kennen). Auf der einen Seite ist diese Perfektion irgendwie gruselig und anormal, auf der anderen Seite aber auch angenehm und sympatisch. Was ich hier bisher auf jeden Fall vermisse sind die Ausnahmen und Ausbrecher aus diese heilen Welt. Wo ist hier die alternative Szene? Wo sind die Punks? Die Anarchisten? Die Aussteiger? Die Obdachlosen? Die betrunkenen Herumpoebler? Bitte melden!


Ich werde mein bestes tun mich in diese perfekte Gesellschaft aus Prinzip NICHT zu integrieren. Ich werde weiterhin unfreundlich sein zu Menschen die ich nicht mag, ich werde weiterhin meine Chucks tragen bis sie auseinander fallen und ich werde vorallem weiterhin alles essen worauf ich Lust habe!

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