10. Oktober 2014

Die Kunst des Nichtstuns

-Rabaul, Lae, Salamaua, Goroka-






Von New Ireland huepfen wir im kleinen Bananenboot ueber die Wellen zurueck nach New Britain wo wir ein paar Tage in Rabaul verbringen wollen. Rabaul soll eine der schoensten und lebendigsten Staedte des Landes gewesen sein, bis 1994 der nahegelegene Vulkan Mt. Tavavur ausgebrochen ist und grosse Teile der Umgebung unter einer 1 bis 2 m hohen Ascheschicht begarben hat.
Was wir nur am Rande mitbekommen und nicht richtig fuer voll genommen haben ist, dass selbiger Vulkan nur einen Tag vor unserer Ankunft in Rabaul erneut ausgebrochen ist.
Der Teil der heut noch bewohnt ist wurde also erneut zugeascht. Pflanzen, Haeuser, Strassen, Felder, einfach alles ist bedeckt mit einer feinen, grauen Staubschicht. Schoen ist das nicht. EIn Stadtspatziergang wird quasi unmoeglich, da man schon nach den ersten paar Minuten voellig eingestaubt ist und kaum noch Luft kriegt. Besonders die vorbeifahrenden Autos wirbeln eine solche Staubwolke auf, das man darin komplett verschwindet. Im Hintergrund der Stadt kann man wenn die Sicht kurzfristig klar ist den bedrohlich rauchenden Vulkan erkennen. Wir troesten uns damit, so wenigstens das authentische Vulkan-Stadt-Erlebnis “geniessen” zu koennnen.
Um der Staubwolke zu entkommen machen wir Ausfluege in die naehere Umgebung und entdecken zwei Schiffswracks auf denen man herumklettern kann, sowie einen schoenen Schnorchelspot mit steil abfallendem Korallenriff.



Der Vulkan: Mt. Tavavur

ein vorbeifahrender Truck-Fahrer hatte Mitleid
und schenkt uns diese Atemmasken

schon einen Tag nach der Eruption faengt man tapfer mit den
Aufraeumarbeiten an


















Schiffswracks


ueberall einfach stehengelassen: Relikte des 2. Weltkriegs





































die taegliche Kokosnuss


















Von Rabaul aus fliegen wir wieder wieder zurueck aufs Festland in die zweitgroesste Stadt des Landes “Lae”. Wie bereits Port Moresby hat auch diese Grossstadt ausser einem grossen Markt eigentlich NICHTS Interessantes zu bieten. Einen Besuch wert wars trotzdem, hauptsaechlich wegen unserer Deluxe-Couchsurf Erfahrung bei Stan. In seinem wahnsinns Apartment residieren wir besser als in jedem Hotel (das wir uns leisten koennten) in eigenem Zimmer mit Pool im Garten, Haushaelterin und allem was dazu gehoert. Scheiss auf die Authentizitaet des Reisens in einem dritte Welt Land! Luxus ist geil!

Ausserdem bekommen wir durch ihn einen guten Einblick in die Expat Community der Stadt, die in PNG ein Leben lebt, das so gut wie nichts mit dem der einheimischen Befoelkerung zu tun hat. In luxerioesen Haeusern die einem Hochsicherheitstrakt aehneln leben sie voellig abgeschirmt in ihrer eigenen, sehr beengten, weissen Welt. Neben Port Moresby ist Lae die gefaehrlichste Stadt des Landes und selbst das morgendliche Joggen kann nur absolviert werden wenn eine bewaffnete Sicherheits-Eskorte im Jeep neben ihnen herfaehrt. Verrueckt. Dauerhaft in einer Stadt wie dieser zu leben erscheint selbst mir als absurd. Auch wenn die Firmen dieses Opfer sicher mit astronomischen Gehaeltern entlohnen. Abgesehen vom Sicherheitsrisiko gibt es nigendwo in PNG Beschaeftigungsmoeglichkeiten die an urbanes, westliches Leben erinnern. Keine Cafes, Bars, Clubs, Theater, Kinos etc. Und welchen Sinn macht es in einer Stadt zu Leben in der man selbst tagsueber nicht freiwillig auf den Strassen herumlaeuft?

Wir werden mitgenommen auf die Cocktailparty zum Launch eines neuen Produktes des (einzigen) lokalen Mobilfunkanbieters. Freie Getraenke? Wir sind dabei! Zwar gibt es auf dieser Party auch (reiche) Einheimische, doch gemischt wird sich nicht. Das scheint ein ungeschriebenes Gesetz in diesen Kreisen zu sein. Als neue weisse Gesichter sind wir spuerbar eine willkommene Abwechslung in der kleinen Gemeinschaft wo jeder jeden kennt. Ausserdem sind wir als selbststaendig Reisende in PNG in diesen Kreisen soetwas wie eine kleine Sensation. Kaum einer unserer Gespraechspartner hat jemals ein oeffentliches Verkehrsmittel in diesem Land benutzt. Wir smalltalken uns von einem zum anderen und schliessen viele neue Kontakte.


Markt in Lae



















Eine Boot-Stunde von Lae entfernt liegt Salamaua. Ein gemuetliches, ruhiges Dorf in wunderschoener Lage auf einer Halbinsel. Hin tuckern wir auf dem Boden sitzend in einem Bananenboot, auf dem Rueckweg profitieren wir von unseren am Vortag neu geknuepfter Kontakten zur “high Society”. Erst werden wir zum Essen eingeladen, dann in der Yacht zurueck zum Festland eskortiert.









































Hinfahrt

Rueckfahrt





































Nach dem krassesten Erdbeben, das ich je miterlebt habe fahren wir weiter nach Goroka in den Bergen Papua New Guineas. Hier ist es deutlich kaelter und der Nationalsport ist Dart, was man an jeder Ecke im Freien spielt.

Auch hier sind wir gluecklicherweise nicht auf die ueberteuerten Guesthouses des Landes angewiesen sondern koennen, ebenfalls ueber Couchsurfing, bei der wunderbaren Pricilla wohnen. Eine unterhaltsame, quirlige, echte Einheimische die immer aktiv ist und permanent redet.
Da sie zwischenzeitlich beruflich zu tun hat bringt sie uns in das nahegelegene Dorf indem sie aufgewachsen ist, wo wir beim dortigen Pastor und seiner Familie untergebracht werden. Eine einmalige Chance einen Einblick in den Dorfalltag zu bekommen.


Im Gegensatz zu den meisten anderen dritte Welt Laendern, ist PNG zwar mindestens genauso arm, doch gibt es gluecklicherweise kaum hungerleidende Menschen hier. Dieses Phaenomen ist darin begruendet, dass fast das komplette Lande den Einheimischen selbst gehoert. Somit hat jeder Stamm, jedes Dorf und jede Familie sein eigenes Stueck Grund auf dem die ueberlebenswichtigen Nahrungsmittel wie Kartoffeln, Bananen und Gruenzeugs angebaut werden koennen. Das bisschen was man nicht selber zum ueberleben braucht wird fuer ein paar Kinas auf dem Markt verkauft und in Dinge wie Seife, Oel, Tee etc. investiert.
Zudem ist das Wantok-System (Wantok=Verwanter, auch sehr sehr entfernter Verwanter oder Angehoeriger des selben Stammes) ueberall sehr ausgepraegt. Auf seine Wantoks kann man sich in jeder Notlage zu 100% verlassen, ist aber im Gegenzug auch jederzeit dazu verpflichtet jeden hungrigen oder obdachlosen Wantok in seinem Haus aufzunehmen und durchzufuettern. Uns wurde erzaehlt, dass nur 5% der Einheimischen Steuern bezahlen, da die restlichen 95% keinem regulaeren Job nachegehn, also nur von dem Leben was sie auf ihrem Land anbauen.

Das Leben im Dorf ist sehr “einfach”. Elektrizitaet oder fliessendes Wasser gibt es nicht. Da man jedoch sowieso keine technischen Gertaete besitzt, ueber dem Feuer kocht und bei Anbruch der Dunkelheit schlafen geht ist das nicht weiter stoerend. Zum waschen geht man hinuter ins Tal und nimmt ein Bad im eiskalten Fluss.
Alle anfallenden Arbeiten, inclusive der koerperlich anstrengenden werden ausschliesslich von den Frauen und Maedchen verrichtet. Sie schleppen das Wasser zum Putzen, das geerntete Gemuese und Feuerholz aus dem Tal nach oben, kochen, waschen, putzen, kuemmern sich um den Garten und die Ernte und verkaufen das Ueberschuessige auf dem Markt.
Wir verbringen den kompletten Tag mit der Familie. Man nimmt uns mit in den Garten und erklaert uns alle angebauten Pflanzen. Der Weg dorthin fuehr einen mehr oder weniger steilen Hang hinab der noch dazu ziehmlich schlammig und rutschig ist. Obwohl wir Turnschuhe tragen ist es uns einfach unmoeglich hier hoch und runter zu kommen. Wir rutschen aus, fallen in den Schlamm und brauchen selbst auf allen vieren eine halbe Ewigkeit um vorran zu kommen. Erstaunlicherweise scheint dies fuer niemanden ausser uns ein Problem zu sein. Obwohl der Pastor, seine Frau und die Kinder allesamt barfuss sind und noch dazu mit Feuerholz und Gemuese schwer beladen sind klettern sie schnell und sicher. Wie fuehlen uns wie behindert, als sie uns trotz ihrer Last noch stuetzen und hochziehen muessen.

Der allergroesste Unterschied zum Leben in Deutschland ist der Zeitfaktor. Hier im Dorfleben hat man alle Zeit der Welt. “Stress” und “Hektik” sind zwei unbekannte Worte die in ihrer eigenen Sprache sicherlich ueberhautnicht existieren. Man arbeitet ein paar Stunden im Garten, kocht die Kartoffeln und tut sonst einfach nichts. Der Drang immer irgendetwas tun zu muessen ist hier unbekannt. Man liegt im Grass, haelt ein Nickerchen, sitzt einfach so herum, guckt in die Landscchaft und wartet….auf nichts.
Zum ersten Mal wird mir bewusst das diese Faehigkeit des “Nichtstuns” in Deutschland bereits voellig ausgestorben ist. Soetwas gibt es einfach einfach nicht, bei uns MUSS man zwanghaft immer irgendwie beschaeftigt sein. Und damit moechte ich nicht sagen, dass Fernsehen, Videospiele oder zwanghaftes Herumtippen auf dem Smartphone zwangslaeufig besser sind. Schnell integrieren wir uns ins Dorfleben, auch wenn ich persoenlich das Nichtstun auch nicht allzu lange ertrage und mein Buch zuecke.


Drei mal taeglich gibt es Essen. Fast ausschliesslich Kartoffeln (ohne alles) und zwar ca. 5 bis 7 grosse Knollen pro Person (auch fuer kleine Kinder). Unmoeglich fuer mich diese Ration zu schaffen, auch wenn ich weiss, dass Nicht-Aufessen hier als unhoeflich gilt. (Spaeter erfahre ich von Pricilla, dass die Familie mich auf Grund dessen fuer schwach und kraenklich hielt)
Die Missionare in PNG haben ganze Arbeit geleistet. Durch Brainwashing und Indoktrinierung ist zwar leider ein grosser Teil der eigenen Kultur verschwunden, doch glauben hier nun sogut wie alle, fast schon fanatisch ans Christentum und die Bibel. Vor jedem Essen werden lange Gebete gesprochen und wenn man jemanden fragt ob er christlich ist, wird man angeschaut als ob man gefragt haette ob er 2 Ohren am Kopf haette.


Als wir uns am Ende unseres Aufenthaltes von der Familie verabschieden werden uns als Erinnerung zwei Geschenke ueberreicht. Eine selbstgeschnitzte Gabel und eine der fabenfrohen, traditionellen Highland-Bilums (Bilum=Tasche). Wir sind sprachlos. Schiesslich sind wir doch die “reichen” Gaeste die kostenlos im Haus von Fremden gelebt haben.
Ca. einen Monat brauchen die Frauen zum Fertigstellen der aufwendig gehaekelten Taschen, selbst der Faden wird vorher selbst gedreht. Im Gegensatz zu normalen Handtaschen traegt man sie nicht ueber der Schulter, sondern ueber dem Kopf.
Auch der Inhalt einer solchen Tasche unterscheidet sich wohl stark von dem der deutschen Handtaschen. In vermutlich jedem Bilum befinden sich vermutlich die Zutaten zum Betelnut-kauen. Die bittere Nuss wird mit einem Gemisch aus Senfstangen und Lime im Mund zu einer leuchtend roten Masse zerkaut. Anschliessend spuckt man die Masse wieder aus (zum Beispiel durchs Busfenster) wodurch die blutaehnlichen Flecken entstehen die man ueberall auf dem Boden sieht. Leider zerstoert das Betelnut-kauen nicht nur die Zaehne, sondern ist auchnoch stark krebserregend.


der Weg ins Dorf

Frau-Pastor beim kochen

Herr Pastor und seine Frau im eigenen Garten

Flussueberquerung

die Kinder tragen das Feuerholz























Lektion im Nichtstun

unsere Frisbee ist sehr beliebt bei Dorfkindern...

...jedoch nicht ganz so beliebt wie das Spielen mit Murmeln


















in der "Kueche"

Abschiedsfoto vorm Haus
das bunte um meinen Kopf ist die soeben erhaltene Tascche


















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