23. Oktober 2014

# Zensur #

-mit oeffentlichen Verkehrsmitteln in die Highlands, hoch und wieder runter-


Aus dem sicheren Bali liefere ich hiermit die weniger schoenen, gefaehrlichen und schockierenden Storys unserer Reise durch Papua Neu Guinea nach. Nicht um irgendwen zu beaengstigen und erst recht nicht um das Land zu verteufeln. Vielmehr um einen realistischen Reisebericht abzuliefern und auch mal zu erwaehnen, dass “unterwegs” nicht immer alles grossartig, toll und wunderschoen ist.
Nach wie vor sind wir uns sicher in PNG auf eine der freundlichsten, gastfreundschaftlichsten und sympatischsten Nationen ueberhaupt getroffen zu sein. Wenn auch anstrengend zu bereisen, ist dieses Land mit Sicherheit eines der interessantesten die ich bisher kennengelernt habe. Das es nicht zu den sicheren und ungefaehrlichen Reisezielen dieser Erde gehoert, hatten wir vorher bereits recherchiert aber mit soetwas rechnet man trotzdem nicht.

Teil 1: Hoch in die Berge - Busfahrt von Lae nach Goroka
Ja, wir wurden gewarnt. Sogar mehrmals. Oeffentliche Verkehrsmittel in PNG geniessen den Ruf nicht unbedingt sicher zu sein. Schon garnicht auf den Highways in die Berge und wieder hinunter. Man kann also durchaus sagen wir seien selber Schuld...
Es beginnt alles bestens. Wie meisstens sind alle anderen Fahrgaeste im Minibus freundlich und interessiert, schnell haben wir neue "Freunde" gefunden. Ca. 1,5 Stunden ausserhalb von Lae werden wir dann von einem Jeep ueberholt auf dessen offener Ladeflaeche mehrere bewaffnete Maenner stehen die den Fahrer unseres Busses dazu zwingen anzuhalten. Im Inneren des Busses entsteht Panik. Raskols! Raskols! Ich sehe wie die Frauen neben mir ihre Wertsachen verstecken und die Koepfe geduckt halten. Die “Rakcols” bedrohen und umrunden den Bus mit gezogener Waffe und ein heftiger Wortwechsel zwischen ihnen und den Fahrern entsteht. Vermutlich bin ich kalkweiss und die Panik steht mit ins Gesicht geschrieben. Die Frauen um mich herum geben sich alle Muehe mir die Situation zu erklaeren und vorallem mich zu beruhigen. “Bestimmt sind die Waffen nicht gelanden…”; “Wir haben starke Maenner an Board, sie werden fuer uns kaempfen”. Ich bin nicht ueberzeugt! Kurz darauf werden Macheten verteilt und die Maenner im Bus machen sich bereit zum Kampf. Der Mann neben mir erhaelt eine nagelneue, blinkende ca. 1m lange Machete und guckt mich zuversichtlich an. “Don’t worry!” Sollte ich jetzt hoffen, dass er ein guter Krieger ist und in der Lage Koepfe abzuschlagen? “I am more than worried!” schliesslich sieht man sich nicht alle Tage einer Schusswaffe in einem fremden Land gegenueber. Warum niemand die Polizei ruft wissen wir nicht – vermutlich weil diese nur anrueckt wenn man sie bezahlen kann. Welche Abmachung man mit den Raeubern (oder wie auch immer man sie nennen mag) getroffen hat, haben wir auch nicht verstanden, aber unser Bus faehrt erstmal weiter. Zwar sind die Raeuber vorerst aus unserer Sicht verschwunden, aber man vermutet, dass sie uns folgen werden. Nicht gerade beruhigend. Vor uns liegen weitere 4 Stunden Fahrt durchs Nirgendwo. Hier gibt es NICHTS, keine Menschen, keine Doerfer, erst recht keine Polizei. Umdrehen ist ebenso riskant wie weiterfahren und aussteigen oder stehenbleiben kommt natuerlich garnicht in Frage.
Nach diesem Zwischenfall entsteht eine faszinierende Gruppendynamik unter den Fahrgaesten. Alle sind ruehrend damit beschaeftigt uns aufzumuntern, Essen wird geteilt und Telefonnummern ausgetauscht. Wir sind ordentlich geschockt, doch sehen die “Raskols” gluecklicherweise nicht mehr wieder. Man vermutet sie hatten keine Lust es auf einen Kampf mit Macheten ankommen zu lassen und waren tatsaechlich eingeschuechtert von den vielen grossen und starken Maennern, die zum Glueck alle im vorderen Teil des Busses sassen.



Teil 2: Wieder runter zur Kueste – Busfahrt von Goroka nach Madang
Dieser Teil faellt nun ohne Frage unter das Label “selber Schuld”. Natuerlich hatten wir nach der eben beschriebenen Busfahrt absolut keine Lust den Rueckweg zur Kueste schon wieder in einem oeffentlichen Minibus zurueck zu legen. Die einzige Alternative ist Fliegen. Dies war leider auf Grund der soeben beendeten SingSing Show relativ unbezahlbar fuer uns…und irgendwie denkt man ja immer, dass soetwas nicht ein zweites Mal passieren wird.
So sitzten wir frueh am Morgen nach der Show schon wieder in einem der Minibusse Richtung Madang. Leider faehrt dieser jedoch nicht los. Ewig lange stehen wir mitten auf dem Marktplatz herum bis wir schliesslich etwas von einer Strassen-Blockade hoeren. Keiner weiss so wirklich bescheid, bis nach 3 Stunden warten endlich eine Durchsage der Polizei zu hoeren ist.
In einem Dorf am Highway wurde ein Lehrer ermordet, dessen Wantoks (Stammesangehoerige) daraufhin aus Rache den Highway blockiert haben. Angeblich soll der Moerder des Lehrers aus den Bergen kommen, weshalb das Dorf nun jeden Highlander der versucht zu passieren toeten will. Wow! Sehr beruhigend! Trotzdem verkuendet die Polizei, dass sie die Lage unter Kontrolle haetten und es zumindest fuer Weisse und Einwohner der Kuestenstaedte kein Problem sei zu reisen. Natuerlich sind wir mehr als beunruhigt, vertrauen aber naiver Weise auf die Einschaetzung der Polizei. Nach ca. einer Stunde erreichen wir das besagte Dorf und was uns dort erwartet sieht alles andere als “unter Kontrolle "aus. Kurz vor der Blockade haben sich ca 10 Minibusse versammelt die nun in einem Konvoi darauf zusteuern. Natuerlich muss unser Bus ausgerechnet der erste in der Schange sein. Wir steuern auf eine Wand aus Menschen zu. Die gesamte maennliche Haelfte des Dorfes (auch Kinder) scheint involviert zu sein und der Zustand der uns hier erwartet laesst sich am besten mit dem Wort “Krieg” bezeichnen. Ich kann kaum glauben ,dass diese Szene wirklich real ist. Die “Krieger” haben ihre Gesichter mit schwarzer Bemalung verfremdet und sind ausnahmslos bewaffnet. Langsam schiebt sich unser Bus durch die Menschenmenge hindurch. Zum Glueck scheinen es die Feuerwaffen noch nicht bis in dieses abgelegene Dorf geschafft zu haben, doch die Maenner tragen Pfeil und Bogen, Aexte, Spere, Macheten oder Steine als Wurfgeschosse.
Wir haben tierische Angst. Dies ist vermutlich die beaengstigenste Situation in der ich mich jemals befunden habe - und ebenso unberechenbar. Es dauert nicht lange und unser Bus muss vor einem grossen Metallstueck halten, das die Strasse endgueltig blockiert. Die Krieger stuermen den Bus. “Tourists, Tourists!” hoeren wir die Fahrer rufen. Zum ersten mal sind ausser uns noch 4 andere Touristen im Bus und dieser (un)glueckliche Zufall wird hier anscheinend ausgenutzt um die Durchfahrt zu erpressen. Trotzdem stuermt einer der Krieger mit erhobener Machete den Bus und verlangt von jedem (nicht weissen) Fahrgast in seiner Tok ples (Stammessprache) zu sprechen. Ein einfacher Test und die Highlander im Bus ausfindig zu machen. Angeblich ist es jedoch fuer die Einheimischen sehr einfach die genaue Herkunft eines jeden an dessen Gesicht abzulesen. Mit einem jungen Mann in unserem Bus scheint es diesbezueglich ein Problem zu geben. Der Macheten-Krieger schreit ihn an und schlaegt mit der stumpfen Seite der Machete heftig auf seine Scchulter. Mein Herz setzt kurzzeitig aus, da ich natuerlich dachte der Mann werde nun vor meinen Augen abgeschlachtet. Was fuer ein Horror!
Die Situation wirkt so absolut unberechenbar, dass man nur davon ausgehen kann, dass die Lage jederzeit eskalieren kann. Wie kann die Polizei nur Busse voller Menschen in eine solche Gefahr hineinschicken? Nach einer gefuehlten Ewigkeit in der die Panik immer schlimmer wurde, werden wir tatsaechlich durchgelassen. Die Erleichterung ist grenzenlos auch wenn ich fuer den Rest der Fahrt paranoid bin.


Von Madang aus verfolgen wir den Ausgang des Dorf-Kriegs in der Zeitung.
Zitat aus “The National”: “…one vehicle had been burned, two were damaged and 10 had gone missing following the killing.”
Unglaublich.


Madang erreichen wir zum 39sten Indepence Day PNGs. Das gesamte Land ist in den Nationalfarben (den gleichen wie Deutschland) gekleidet und es gibt eine kleine Parade mit liebevoll dekorierten Fahrzeugen.














































Nach unser Ankunft erleide ich soetwas Aehnliches wie einen 3-taegigen Schwaecheanfall mit ungeklaertem Ursprung. Als es mir gerade wieder besser geht veranstaltet Kenneth Magen Remmidemmi. Obwohl wir dementsprechend wenig in Madang unternehmen konnten, kuehren wir es zur huebschesten Stadt in PNG (bei der Konkurenz ein eher bescheidenes Kompliment)


Madang: ueberall Wasser...schoen!

posierende Dorfkinder die anschliessend Lollis von uns haben wollen

Kanutrip zu den um Madang liegenden Inseln



 


eingeschmuggelt! Wir nutzen unsere Hautfarbe schamlos aus
und legen uns unerlaubt an den Pool eines Luxus Resorts der nur
fuer Gaeste ist



















 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
Eine endlose Busfahrt ueber eine Strasse die eigentlich nur aus Schlagloechern besteht und einer ebenso langen Fahrt in einem kleinen Boot bei Regen bringt uns mit einer Zwischenuebernachtung in einem sehr abgelegenen Dorf nach Wewak. Hier nutzen auch wir das Wantok-System und kommen bei einem uns unbekanntem Freund von unserer Couchsurf-Freundin aus Goroka unter.



auf der Ladeflaeche eines Trucks





















Ausblick auf die Bucht von Wewak -
auch nicht haesslich





















Obwohl wir es uns erst nicht eingestehen wollen sitzt der Schock der beiden oben beschriebenen Erlebnisse tiefer als zunaechst vermutet. Wir fuehlen uns seitdem nicht mehr wirklich wohl in diesem Land und sind lustlos und unmotiviert etwas zu unternehmen. Hinzu kommt, das wir besonders in den letzten Wochen endlose Zeit in unbequemen Transportmitteln verbringen mussten und  besonders stark wahrgenommen haben wie hart das Reisen in einem Land wie PNG sein kann. Wir haben beispielsweise in einem Guesthouse gewohnt wo das Gemeinschaftsbad seit mindestens 20 Jahren nicht mehr geputzt wurde und in einem wo es nur so gewimmelt hat von Ratten die ueber uns und unsere Sachen gerannt sind und sogar unsere Rucksaecke kaputtgefressen haben. Wir sind einiges gewohnt und wirklich nicht empfindlich, aber soetwas ist selbst uns zu viel.

Die Reise-Euphorie ist verschwunden, zum ersten mal seit wir Deutschland verlassen haben.
Dieser Zustand muss natuerlich schnellstmoeglich geaendert werden und dafuer ist vorallem Ruhe und Erholung noetig. Urlaub! Als naechstes Ziel hatten wir sowieso Indonesien geplant, ueberqueren auf dem Landweg die Grenze und fliegen von dortaus direkt weiter nach…BALI.

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