Ich liebe Zugfahren! Egal wo auf der Welt: Züge sind mit Abstand mein Lieblings-Verkehrsmittel. Wann immer es eine Möglichkeit gibt auf diesem Weg zu reisen (ohne das Budget zu sprengen) sind wir an Board! Eine Zugfahrt wie diese, lässt sich jedoch mit nichts bisher erlebtem vergleichen.
Es gibt eine einzige Zuglinie in Mauretanien die Küstenstadt Nouadhibou mit einer 600km weiter im Landesinneren liegenden Wüstenstadt verbindet. Hier wird Eisenerz abgebaut und in den Wagons des angeblich längsten Zuges der Welt zur Küste transportiert. Der Zug fährt täglich und dient in beide Richtungen nebenbei als Personen-Transport.
Als Fahrgast kann man zwischen zwei Varianten des Reisens wählen:
1.Man fährt in einem der beiden Passagierwagen mit und bezahlt dafür ca. 7 Euro
2.Man klettert in einen der unendlich vielen Transport-Wagons und fährt als blinder (aber legaler) Passagier kostenlos mit
Natürlich haben wir uns bereits im Vorfeld für die zweite Variante entschieden :-)
Die ungewöhnlichste und abenteuerlichste Zugfahrt unseres Lebens beginnt mit ordentlicher Verspätung. Um 13 Uhr sind wir mit deutscher Pünktlichkeit am Bahnhof und werden persönlich vom Stationsvorsteher begrüßt und darauf hin gewiesen, dass der Zug heute erst um 20 Uhr losfährt. Das lange Warten hat jedoch auch sein Gutes. Wir lernen Mustafa kennen, der ein alter Iron-Ore-Train-Hase ist und den Zug wöchentlich für seinen Arbeitsweg nutzt. Ein sympatischer Kerl, noch dazu sehr gebildet und lustig. Auch Jörg, ein Fahrrad-Reisender aus der Schweiz gesellt sich zu unserer fröhlichen Wagon-Reise-Truppe.
Bei Einbruch der Dunkelheit werden wir aufgefordert uns am Gleis einzufinden. Der Stationsvorsteher weißt eindringlich darauf hin, dass das Mitfahren von Frauen in den Wagons nicht erwünscht ist, da zu hart, ungemütlich und gefährlich. Tatsächlich bin ich weit und breit die einzige Frau...Jetzt erst Recht!
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...warten auf das Eintreffen des Zugs |
Mit viel Getöse fährt der Zug ein, rattert gute 2km an uns vorbei und bleibt erst nach einer gefühlten Ewigkeit stehen. Der Wagon der nun vor uns steht ist unsere "Transport-Kiste" und unser Zuhause für diese Nacht. Mustafa klettert auf den Rand des Wagons und so schnell wie möglich reichen wir ihm all unsere Besitztümer an die er ins Innere fallen lässt. Zuerst die Säcke voller Zucker, Reis und Gemüse die Mustafa von der Küste (wo alles günstiger ist) mit in sein Heimatdorf in der Wüste nimmt, dann unsere Rucksäcke und schließlich Jörgs gesamte Ausrüstung inklusive des Fahrrades.
Kurz bevor wir losfahren klettert Mustafa nochmal nach draußen und kommt mit einem Sack voll Sand zurück. Was will er bloß damit? Wir fahren doch in die Wüste, da wird es doch wohl genug Sand geben!? Die Lösung des Rätsels ist genial: Der Sand wird in einer Ecke des Wagons aufgehäuft und ist die Toilette für diese Nacht :-)
Mit einem ohrenbetäubenden Knall und einem Ruck der einen zu Tode erschreckt setzt sich der Zug in Bewegung. Wir liegen nebeneinander auf dem Boden im offenem Wagon – über uns der Sternenhimmel der Wüste mit seinen Millionen leuchtenden Punkten. Während wir durch das Getöse des Zuges leise Mustafas Singen hören überkommt jeden von uns drei Touristen ein Gefühl der Überwältigung. Was für ein einmaliges Abenteuer! 12 Stunden und über 500km werden wir nun so durch die Einöde der Wüste fahren, begleitet nur durch das kontinuierliche Rattern des Zuges und gelegentlichen lauten Knalls und Erschütterungen, die einen leicht aus dem Gleichgewicht hauen können, falls man gerade steht und sich nicht ordentlich fest hält. Ich bin erstaunt wie viel Geschwindigkeit der alte Zug aufnehmen kann.
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Unser Zugwagon |
Da wir von der Küste ins Landesinnere fahren, ist der Zug unbeladen. Auf dem Rückweg sind diese Wagons vollgeladen mit Eisenerz. |
Nach ca. 30 Minuten beginnen die Nebenwirkungen. Diese Zugfahrt wird uns nicht nur als eines der größten Abenteuer, sonder auch als eines der dreckigsten uns kältesten Abenteuer unseres Lebens in Erinnerung bleiben. Ein so langer, schneller Zug wirbelt in der Wüste natürlich eine Menge Sand und Dreck auf, der uns gemeinsam mit den Überbleibseln der Eisen-Erz-Reste um die Ohren fliegt. Es dauert nicht lange bis wir und unser Gepäck von einer dicken Staubschicht bedeckt sind. Obwohl wir unsere Gesichter komplett in Turbane gewickelt haben werde ich heute mehr Sand als Nahrung eingeatmet und verschluckt haben. Je später die Nacht, desto kälter die Temperaturen. Auch in all unserer Kleidung und innerhalb der Schlafsäcke ist es verdammt kalt.
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Ankunft in Choum bei Morgengrauen |
Aussteigen bitte! |
Über 2,3km Lastenwagons |
Am frühen Morgen erreichen wir unser Ziel Choum. Vorbei an Sanddünen und wilden Kamelen
fahren wir dem Sonnenaufgang und dem Bahnhof entgegen. Wir sind dreckiger als jemals zuvor in unserem Leben, kein Millimeter wurde vom Staub verschont. Wir sind müde, durchgefroren und erschöpft. Genau der richtige Zustand um weitere 2 Stunden in einem Minibus zu sitzen und uns bei unserer neuen Workaway-Arbeitsstellle vor zu stellen :-)
Egal es hat sich gelohnt...
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