29. September 2013

Where's this accent from, darling?

An manche Dinge kann ich mich einfach nicht gewoehnen. Neben der Wechselhaftigkeit des Wetters und dem staendigen Durchleben von vier Jahreszeiten  an einem Tag, zaehlt dazu in Australien hauptsaechlich der Linksverkehr.
Mein Gehirn ist offensichtlich einfach nicht in der Lage díeses “Falschherumfahren” zu verarbeiten. Das fuehrt zu lustigen Situationen. Zum Beispiel wenn ich an der Haltestelle sitze, die Bahn aus der falschen Richtung erwarte und mich zu Tode erschrecke wenn diese auf einmal vor mir steht. Oder wenn ich voellig verwundert bin, dass auf der vermeintlichen Fahrerseite im Auto ein Kind oder Hund sitzt. Meistens allerdings bringt mich der Linksverkehr in eher Lebensgefaehrliche Situationen. Wenn ich eine Strasse ueberqueren will schaue ich natuerlich ebenfalls in die falsche Richtung, sehe kein Auto und laufe los…nicht selten kommt genau dann eines aus der anderen Richtung. Aus der Falschen eben…
Gefaehrlicherweise sind wir, dank unseres netten Vermieters, nun auch im Besitzt von zwei Fahrraedern, was das Verkehrs-Risiko betraechtlich erhoeht. Zwar gibt es fast ueberall ausgeschilderte Fahrradwege (idyllisch am Fluss entlang oder durch Parks), in der Innenstadt faehrt man jedoch direkt neben den Auto-Spuren. Das fuehrte letzte Woche dazu, dass ich mitten auf einer riesen Kreuzung einfach nicht mehr wusste in welche Richtung und Spur ich denn nun abbiegen muss. Voellig gehirnamputiert blieb ich also einfach in der Mitte stehen und wartete ab bis alle Autos hupend und boese na mir vorbei gebrausst waren um mich dann an den sicheren Strassenrand zu fluechten und mein Fahrrad dort stehenzulassen. Zu meinem Glueck besteht in Melbourne auch fuer Fahrradfahrer schon seit Jahren strenge Helmpflicht.

An meinen freien Tagen (die bisher leider selten mit Kenneth’ freien Tagen zusammenflielen) bin ich meiner Lieblingsbeschaeftigung in neuen und fremden Staedten nachgegangen: Dem planlosen durch die Stadt spatzieren ohne zu wissen wo man sich gerade befindet oder wo man eigentlich hin will. Dabei entdecke ich alle moeglichen interessanten (oder uninteressanten) Dinge und trinke vorallem pausenlos Kaffee-to-go. Das was in Argentinien noch verpoehnt war (“Kaffee muss man in Ruhe geniessen”) ist hier wieder absolut gesellschaftlich akzeptiert und na jeder Ecke erhaeltlich (in saemtliche SevenEleven-Kiosken sogar fuer einen Dollar).
Meine selbstgestelle Herausforderung bei diesen Spatziergaengen ist es die tollste Gasse mit dem schoensten/gemuetlichsten/besten/besonderstem Café der Stadt zu finden. Kein einfaches Unterfangen, denn Melbournes Innenstadt ist ein Labyrinth aus schluchtartigen Gassen die sich zwischen den Hochhaeusern hindurch schlaengeln.
Cafes (von grossen Ketten bis zu winzig kleinen Raeumchen) gibt es hier wohl soviele wie in fast keiner anderen Grossstadt. Melbourne ist bekannt (und beruehmt) fuer seine Kaffee-Kultur und nimmt diese verdammt ernst. Einfach nur “einen Kaffee” kann man hier nicht bestellen, das ist wohl das erste was jeder Tourist hier zu lernen hat.
Abgesehen vom Typ des Kaffees muss man bei seiner Bestellung auchnoch die Art der Milch angeben (normal, skinny oder Soy) die Groesse der Tasse (small, regular oder large), die Anzahl der Zuckerportionen und ob man das Getraenk mitnehmen oder vor Ort geniessen will.
Auch die ganz Kleinen werden mit einem “Babychino” (winziges Taesschen, zur Haelfte gefuellt mit warmer Milch, zur anderen Haelfte mit Milchschaum, besprenkelt mit Kakaopulver) schon in fruehsten Kindesalter in die Kaffee-Kultur eingefuert.
Achtung! Hier meine Bestellung: “Can I please have a regular size, double shot Latte with skinny milk and no sugar to drink here, thanks.

 Mein Englisch hat sich hoffentlich schon ordentlich verbessert, allerdings werde ich als Deutsche meinen Dialekt wohl leider nie los werden. Das merke ich besonders dann, wenn ich andere Deutsche sofort an ihrer grauenhaften Aussprache erkenne, die der meinen leider sehr aehnelt. Die Australier werden also vermutlich nie aufhoeren freundlich zu fragen “Where’s this accent from, darling?”

...und das sind noch lange nicht alle Varianten 

"Central Place": Der bisherige Favorit bei der Suche nach der tollsten Gasse (Laneway)
in der verwinkelten Innenstadt
Laneway Schluchten

Flinder Street Station - der Hauptbahnhof in der Innenstadt
keine Grossstadt ohne Chinatown

kleine gruene Oasen umgeben von Hochhaeusern

extra ausgeschilderte Wege fuer Skater in der Innenstadt -
Ich bin beeindruckt!

State Gallerie of Victoria, hier kann (und sollte) man Stunden verbringen

Storytelling - sowas aehnliches wie Poetryslam (leider nicht ganz so gut)

keine Angst mehr vor Regentagen: Ich habe den "Reading room" in der State libary entdeckt!

warm, regengeschuetzt und vorallem ruhig!

Fitzroy - wenn es ein alternatives Viertel in Melbourne gibt ist es wohl dieses...

Brunswick Street mit grossartigen Buch- und Platten-Laeden, Vintage-Geschaeften,
und wie immer einer unueberschaubaren Anzahl an Cafes

moderne Stadt, historische Trams: Hier hat man die alten Strassenbahnen noch nicht
gegen Neue ausgetauscht. Zum Glueck.
Yeahhhh - Wir wohnen am Ende des Regenbogens!

15. September 2013

Prototyp Uebermensch

Wir haben ihn gefunden! Den Ort an dem der Prototyp der Menschheit lebt!
Nach einem Monat in Melbourne haben wir beschlossen, dass hier die “perfektesten” Menschen leben denen wir je begegnet sind.

Das Verhalten: Der Melbourner ist unglaublich freundlich und hoeflich... und das in JEDER Lebenssituation. 
In Geschaeften, Restaurants oder Cafes wird man so freundlich empfangen und beraten, dass einem garkeine andere Wahl bleibt als alles zu kaufen. Grundsaetzlich wird man mit strahlendstem Laecheln begruesst und gefragt wie es einem heute so geht (sogar bei Aldi). Eine ernsthafte Antwort auf die Frage nach dem Befinden erwartet natuerlich niemand. “I am fine, and you?” sollte die Antwort lauten, ganze gal ob das der Wahrheit entspricht oder nicht. Immer wieder muss ich daran denken wir lustig es waere auf diese Frage in aller Ausfuehrlichkeit zu antworten und der freundlichen Verkaeuferin eine Stunde lang mein Herz auszuschuetten.
Auch die Menschen auf der Strasse ueberschlagen sich in ihrer Freundlichkeit geradezu. Wenn ich mich mal wieder verlaufen habe (was oft passiert) und nach dem Weg frage wird dieser in grosster Ausfuehrlichkeit erklaert oder bei Ahnungslosigkeit grundsaetzlich auf dem Smartphone gegoogelmapt. Auch wenn man nur verwirrt und wegsuchend aussieht wird man schon hilfsbereit angesprochen. Schon zwei mal ist es mir passiert, dass wildfremde Menschen mich auf dem Weg zur Arbeit mit einem froehlichen “Good morning gorgeous, how are you?” begruesst haben…einfach so. Das fuehrt bei mir jedesmal zu groesster Verwirrung, da ich immer denke den Leuten sicher schon einmal begegnet zu sein (dem ist jedoch nicht so). 
Was machen die Menschen hier bloss wenn sie mal schlechte Laune haben? Sperren sie sich dann im Keller ein?

Das Aussehen: Der Melbourner sieht gut aus. Naja, sagen wir leiber er entspricht dem gaengigen Schoenheitsideal. Kaputte Schuhe und verdreckte Kleidung sieht man hier genauso selten wie uebergewichtige Menschen. Man ist stets passend und ordentlich gekleidet, die Schuhe passen zum Guertel, beides wiederrum zu den Ohrringen oder zum Hut. Die Menschen auf der Strasse kommen mir manchmal vor wie aus einem Modemagazin herausgeschnitten. Die Haare immer perfekt frisiert, das Make up nie verschmiert. Besonders beim Ausgehen am Wochende wird masslos uebertrieben. Um einfach nur in eine Disco oder was trinken zu gehen putzt man sich hier so heraus als wenn man bei uns zu einer Hochzeit gehen wuerde.

Die Ernaehrung: Der Melbourner lebt aeussert Ernaehrungs- und Koerper-bewusst. Keine Ahnung ob das in Deutschland gerade auch so ein Hype ist, hier gibt es auf jeden Fall kaum noch Produkte die Gluten enthalten. Die Aufschrift “Gluten free” prangert auf fast saemtlichen Nahrungsprodukten: auf Kuchen in den Cafes, auf Broten in der Baecherei auf zahlreichen Produkten in den Supermaerkten und… ok, auch auf dem Eis das ich verkaufe. Auch “dairy free” ( Milchprodukt frei) wird hier bevorzugt gegessen, zusaetzlich gibts an jeder Ecke Geschaefte die “gesunde, sportliche” Nahrungsergaenzungspraeperate in pulverform in grossen Dosen verkaufen…das braucht man dann wohl auch wenn man sonst nichts mehr isst. 

Ihr koennt euch nicht vorstellen wieviele Leute das Eis das ich verkaufe kritisch betrachten und dann fragen welche Sorten Dairy oder Gluten free sind. Letztens wurde mir diese Frage sogar von zwei kleinen Kindern gestellt und ich war kurz davor auszurasten. Gehts noch? Das ist Eis! Das ist man weils lecker ist und scheisst gefaelligst auf die Gesundheit!
Positiv ist jedoch anzumerken, dass die Leute hier scheinbar sehr viel mehr als in Deutschland auf fair-trade Produkte, Nachhaltigkeit, bio oder organic achten. Ich habe das Gefuehl hier wird nicht einfach das billigste gekauft, sodern eher das beste, egal was es kostet. Das wiederrum haengt wohl aber auch damit zusammen, das es den Leuten hier einfach gut geht. Die Gehaelter sind durchgehend hoch und Armut gibt es selten zu sehen.
Am fruehen morgen und in den Abendstunden sind die Parks voll mit joggenden und sit-up machenden Menschen, denn auch sportlich muss sich der perfekte Mensch natuerlich in ausgiebigem Masse betaetigen.

Insgesamt fuehlt man sich hier manchmal wie in Pleasentville (fuer alle die den Film kennen). Auf der einen Seite ist diese Perfektion irgendwie gruselig und anormal, auf der anderen Seite aber auch angenehm und sympatisch. Was ich hier bisher auf jeden Fall vermisse sind die Ausnahmen und Ausbrecher aus diese heilen Welt. Wo ist hier die alternative Szene? Wo sind die Punks? Die Anarchisten? Die Aussteiger? Die Obdachlosen? Die betrunkenen Herumpoebler? Bitte melden!


Ich werde mein bestes tun mich in diese perfekte Gesellschaft aus Prinzip NICHT zu integrieren. Ich werde weiterhin unfreundlich sein zu Menschen die ich nicht mag, ich werde weiterhin meine Chucks tragen bis sie auseinander fallen und ich werde vorallem weiterhin alles essen worauf ich Lust habe!

8. September 2013

The most livable...

Melbourne ist laut einer Studie des Economist bereits zurm dritten Mal in Folge zur lebenswertesten Stadt der Welt gewaehlt wurden. Nachdem wir hier nun auch endlich mal etwas Freizeit hatten koennen wir langsam erahnen warum: Die Stadt ist nicht nur riesig,modern, international und vielseitig sondern auch echt spannend und interessant. Es gibt kaum etwas das man hier nicht machen kann und je besser das Wetter wird (der Fruehling hat begonnen) desto groesser die Moeglichkeiten der Freizeitgestaltung. 
Vermutlich gibt es keinen Platz in der Stadt von dem aus man laenger als 5 min laufen muss um den naechsten oeffentlichen Park zu erreichen und dort entspannt am See zu sitzen, zu grillen oder Kaffee zu trinken. Die meisten der Museen und sogar touri-Stadtrundfahrten sind hier umsonst und es gibt immer gerade irgendwo ein Festival oder Event zu den unterschiedlichsten Themen. 
Wer sich hier langweilt ist selber Schuld! In aufwaendiger Recherchearbeit habe ich eine mehrseitige To-Do-Liste mit Dingen erstellt die wir hier unternehmen muessen, bevor wir die Stadt wieder verlassen. Und falls man doch mal nicht weiss wie man seine Zeit totschlagen soll kann man immer bei einem Stadtspatziergang die neuesten Street-Art Kunstwerke bestaunen oder einfach in einem der tausend Cafes abhaengen, die Leute beobachten, die Sonne geniessen oder lesen.
Zusammenfassend: Hier laesst es sich aushalten!




Ich habe ein neuen Lieblingsdenkmal:
Als einer der ersten Staaten fuehrte Victoria den "8 Stunden Arbeits-Tag" ein
und erreichtet dies zu Ehren ein Monument.

gemuetliche Gassen in der Innenstadt

Feierabend geniessen in schoenen Parks


St Kilda Beach: Sonnenuntergang-Gucken auf dem Pier


Melbournes Skyline




Auch das Eis-Business laeuft: Zwar trauern wir noch immer unserer Hippie-Zeit in Suedamerika hinterher aber erstaunlicherweise muss ich sagen, dass mir der Job echt Spass macht.
Gluecklicherweise hat man mich schnell als clevere und kompetente Mitarbeiterin erkannt und mir schon nach den ersten paar Tagen die “Leitung” eines der 4 FRITZ-Gelato-Shops uebertragen. Im ueberteuerten bio/organic/was auch immer “Prahran Market” befindet sich mein Laedchen, das ich 5 mal in der Woche um 8 Uhr oeffne, alles fuer den Tag vorbereite und gegen 17 Uhr die Abrechnung mache und wieder schliesse. In der Zwischenzeit verkaufe ich leckeres Eis, Milchshakes, noch leckerere Donuts und Kaffee. Ausserdem mache ich Nachbestellungen, kaempfe gegen die herumwuselnden Ameisen und ueberpruefe in regelmaesigen Abstaenden die Qualitaet der Dinge die ich verkaufe ;-). 

Besonders die vielen verschiedenen Kaffee-Getraenke (Latte, Cappuchino, Flat white, Long black, Macchiato, Mocca, Ice-Kaffee, Espresso, etc. jeweils mit aufgeschaeumter Vollmilch, Light-Milch oder Soja-Milch) waren am Anfang eine kleine Herausforderung. Vorallem wenn man noch nie mit einer “echten” Espressomaschiene gearbeitet hat. Nach den ersten Desastern habe ich zum Glueck eine Barista-Schulung bekommen und um bald wirkliche Expertin zu sein habe ich mich morgen nochmal fuer einen Intensiv-Kurs angemeldet. Sowas kostet normalerweise einen Haufen Geld, ist aber fuer FRITZ-Mitarbeiter ganz umsonst. Abgesehen davon, dass Kaffee mich persoenlich interessiert, erscheint mir Barista der perfekt “Beruf” zu sein um ueberall auf der Welt innerhalb von kuerzester Zeit einen gutbezahlten Job zu finden. 
Auch ins Baeckerei-Business bin ich mit diesem Job eingestiegen, denn auch die Donuts (Donuts sind hier das was bei uns "Berliner" heisst)  mache ich komplett selbst. Teig anmischen, von grossen Maschienen kneten lassen, Kugeln formen, aufgehen lassen, frittieren, zuckern, mit Marmelade vollpumpen, verkaufen.

Da man auch das Nachtleben natuerlich nicht vernachlaessigen darf waren wir letzes Wochenende bei einem “Secret house concert”. Eine lustige Veranstaltung die wir mal wieder ueber Couchsurfing entdeckt haben. Man schickt eine Sms an eine angegebene Nummer und bekommt so die genaue Adresse des Veranstaltungsortes zurueckgeschickt. Bei diesem Konzert handelte es sich um den kanadischen Singer/Songwriter Rob Moir der mit mini-Konzerten in privaten Wohnzimmern seine Reise um die Welt finanziert. Als wir das Haus endlich gefunden haben treffen wir nicht wie erwartet auf eine WG oder einen ranzigen Proberaum, sondern auf ein ziehmlich feudales, stilvoll eingerichtets Einfamilienhaus. Mehr als herzlich werden wir begruesst und in dei Kueche geleitet, wo ausser den anderen Gaesten auch ein umfangreiches Buffet (Kaeseplatten!!!!!!! yeahhhhhh!!!!!!) auf uns wartet. Super Abend, super Musik und super Kaeseplatte fuer nur 5 Dollar “Spendenbeitreag”.






Heute habe ich frei und werde mein verdientes Geld gnadenlos in Shopping investieren. Ohne Handtasche, Portemonnaie und Chucks ist das Leben schliesslich nur halb so schoen... Auch der Inhalt meines Kleiderschranks im allgemeinen ist durchaus verbesserungswuerdig.