Durch Zufall erfahren wir waehrend unserer Busfahrt von dem
herannahenden Zyklon der bald in unserer unmittelbaren Naehe aufs Land treffen
soll. Kein guter Zeitpunkt um auf Magnetic Island campen und schnorcheln zu
gehen, denken wir uns, aendern blitzschnell alle Plaene und bleiben lieber im
“sicheren” Hostal auf dem Festland in Townsville. Eine gute Entscheidung, denn
in den daraufflogenden Tagen wird es kaum hell, stuermt dafuer ordentlich und
hoert fuer etwas 48 Stunden nicht auf zu regnen.
Das Hostal kann man in dieser Zeit kaum verlassen und so
passierts. Auf dem Tresen der Rezeption liegt es: Das Angebot
das man nicht ablehnen kann.
Die Townsville Laundry sucht neue Mitarbeiter. Ansich nicht besonders
verlockend, bis man den handgeschriebenen Zettel komplett gelesen hat und auf
die Angabe des wahnwitzig hohen Stundenlohns trifft. “Kann nicht sein” ist
unsere erste Reaktion “da hat sich wohl jemand verschrieben”. Ueberpruefen tun wir
es natuerlich trotzdem. Einen Anruf spaeter wurde uns der stuendliche Verdienst
muendlich bestaetigt und wir sollen bereits am naechsten Tag vorbei kommen.
Da der Job absolut KEINE Qualifikation erfordert werden wir
am darauffolgenden Tag umgehend ohne Smalltalk oder Probearbeiten eingestellt
und das Schicksal nimmt seinen Lauf.
Um schnell zum Punkt zu kommen: Noch nie in meinem gesamten Leben habe ich
einen so langweiligen, eintoenigen, frustrierenden und verbloedenden Job
ausgeuebt. Allerdings auch noch nie annaehernd so viel verdient...
Die Townsville Laundry ist eine industrielle Waescherei und
unsere “abwechslungsreichen” und “verantwortungsvollen” Aufgaben erstrecken
sich von Waesche sortieren, Waesche in Faltmaschinen stecken, Waesche auf der
anderen Seite der Maschine wieder entgegennehmen, Waesche manchmal auch per
Hand falten, Waesche in riesiege Buegelmaschinen hineinlegen oder haengen, bis zu dem Abpacken in 10er 20er oder 50er Pakete und Verladen auf die Paletten fuer den LKW.
Bei der “Waesche” handelt es sich um alles moegliche was in Hotels
so anfaellt. Handtuecher in allen Groessen, Waschlappen, Bademaentel, Bettwaesche,
Tischtuecher, Stoff-Servietten etc. Gluecklicherweise ist alles, wenn es bei uns
ankommt, bereits leuchtend Weiss, wohlriechend und super-sauber. Der Job ist also
weder anstrengend noch dreckig… Dies waere auf der Liste der positive Dinge zu
vermerken… damit hoert sie allerdings auch schon auf.
Gearbeitet wird nachts in 12 Stunden Schichten von 17 Uhr abends bis 5 Uhr am
naechsten morgen. Eine lange Zeit wenn man bedenkt, dass ich ungefaehr alle 5
min auf die Uhr schaue und nicht fassen kann, dass noch immer nicht mehr Zeit
vergangen ist.
Nach der ersten Woche bin ich bereits so angenervt das ich
kurz davor stehe alles hinzuschmeissen. Als dann jedoch das erste Gehalt auf
unseren Konten eintrudelt, steigt die Motivation (kurzfristig) wieder an. In 6
Tagen habe ich etwa soviel verdient wie in einem ganzen Monat in Deutschland.
Obendrauf kommen noch die Rentenzahlung und die Steuerrueckzahlung wenn wir
Australien verlassen werden. In unserer Waehrung “Reisezeit” beduetet das: In
einer Woche haben wir zwei sehr grosszuegige Reise-Monate in Asien verdient.
Ja! Ich bin kaeuflich!
Zum Glueck gewoehnt man sich an vieles und so machen uns die
Nachtschichten schon nach einer Woche ueberhaupt nichts mehr aus. Bei 12
Arbeitsstunden pro Tag plus Anreise wird in der restlichen Zeit sowieso nurnoch
geschlafen und ob man das tagsueber oder Nachts tut ist dann auch egal.
Mein Gehirn ist mit einer solchen stupiden Taetigkeit natuerlich absolut unterfordert
hat aber zumindest in den erstae Tagen reichlich Zeit sich mit der
Analyse des neuen Umfelds zu befassen. Wie ein Kamelion passe ich mich blitzschnell an und
durchschaue den Verhaltenskodex des Fabrikslebens schneller als mir lieb ist.
Fuer alle die eine aehnliche Karriere anstreben, hier die wichtigsten
Verhaltensregeln auf einen Blick:
Nr. 1: Denken ist nicht nur voellig ueberfluessig, sondern
auch ausdruecklich unerwuenscht!
Die Arbeiter sind hier schliesslich nur Nummern die die Arbeit uebernehmen die
Maschinen (noch) nicht leisten koennen.
Nr.2: Gearbeitet wird in einem gemaessigten Tempo!
Nicht so langsam das man dabei einschlaeft, aber auch nicht wirklich schnell. Das
wuerde schliesslich auffallen und alle anderen muessten ihr Tempo ebenfalls
anziehen.
Nr. 3: Auch voellig hirnrissige Anweisungen und
Entscheidungen sollten auf keinen Fall hinterfragt warden!
Recht hat immer der, der schon am laengsten hier arbeitet, bzw. der der sich fuer
besonders wichtig haelt. So kommt es nicht selten vor, dass man z.B. einen Berg
an Waesche sortiert und all das was man gerade nicht braucht auf einen anderen
grossen Berg schmeisst. Natuerlich ist mir voellig klar, dass wir wenig spaeter
genau diesen Berg ebenfalls durchsortieren und die gleichen Dinge erneut
umschichten. Das behalte ich jedoch lieber fuer mich, schliesslich will man
sich ja nicht unbeliebt machen.
Nr. 4: Tue niemals NICHTS!
Besonders wenn ein Chef in der Naehe ist sollte man UNBEDINGT IRGENDETWAS tun.
Was genau ist nicht entscheident, solange man IRGENDETWAS tut. Fuer den nicht
seltenen Fall, dass man gerade wirklich nichts zu tun hat wuehlt man einfach
gesschaeftig in irgendeiner Kiste herum oder traegt mit schnellem Schritt ein
Buendel an Waesche von A nach B (und kurz danach wieder zurueck nacch A)
Nr. 5: Ehrgeiz abschalten.
Jegliche Form von Uebereifer und Bemuehung sind hier absolut unnoetig und werden nicht honoriert. Zum wahrscheinlich
ersten Mal in meinem Leben schalte ich meinen angeborenen Ehrgeiz des “alles
moeglichst gut machen wollens” komplett aus und warte einfach nur darauf das die
Zeit um geht.
Nr.6: "Allright!"
Meine Antwort auf ALLES was man mir auftraegt. Vermutlich denken meine Vorgesetzten, dass dies das einzige englische Wort ist, das ich behersche.
Wie es der gute alte Kapitalismus so will, wird nach den
ersten paar Wochen beschlossen die gleiche Arbeit an weniger Tagen mit weniger
Leuten zu schaffen – kein Anlass zur Hektik. Ich arbeite in exakt dem gleichen
Tempo weiter vor mich hin. Grosse Berge an wartender Waesche koennnen mich nicht
einschuechtern. Fuer uns bringt diese Entscheidung den Vorteil, dass wir ab sofort nurnoch 4 Tage pro Woche arbeiten muessen und etwas mehr Freizeit haben.
Meine Emotionen den anderen Kollegen gegenueber schwanken
zwischen abgrundtiefem Mitleid und “selber Schuld, du Idiot!” Viele hier machen
diesen, oder aehnliche Jobs schon ihr ganzes Leben lang und ich frage mich ganz
ernsthaft wie man das aushalten kann. Sein ganzes Leben in einer solchen Arbeitsathmosphaere verbringen nur um
sich in regelmaessigen Abstaenden neue TV Flatscreens und das aktuellste
Smartphone zu leisten? Sein Haus abzuzahlen? Alles in der Kneipe zu versaufen?
Nein danke, ohne mich!
Im Gegensatz zu den anderen koennen wir die Tage zaehlen
bis wir wieder weg sind und ich bin mir sicher wir werden jeden einzelnen verdienten
Dollar geniessen.
Abgesehen von den absterbenden Gehirnzellen macht eine solche Arbeit auch
nachweisslich nicht schoener. Die meisten hier sind entweder sehr stark ueber-
oder unter-gewichtige Hinzu kommen tiefe Augenringe, ungesund blasse Haut und
ein trauriger (gleichgueltiger) Gesichtsausdruck, der sich schon so in die
Mimik eingebrannt hat, dass man ihn nie mehr ablegen kann.
Um nicht unfair zu sein muss erwaehnt werden, dass es natuerlich auch nette Kollegen
gibt. Ein paar sehr nette Aborigines, eine junge unerschuetterlich lachende
Neuseelaenderin und Ben, bei dem wir dieses Wochenende zum Geburtstags-Barbie eingeladen
sind.
Auch zeitlich passt der Job perfekt in unsere Planung. In
Brisbane haben wir zwei nette Deutsche getroffen, die wir in ca. einem Monat in
Cairns treffen wollen um von dort aus einen gemeinsamen Roadtrip durchs Outback
zu starten. Ca. einen Monat mit eigenem Van durch die Mitte des Landes von Cairns ueber Alice
Springs und Uluru bis nach Adelaide. Wir koennen es kaum erwarten!