6. August 2019

Erwischt.

Kontraste, Kirchen und Krankheit in der Elfenbeinküste:


Wenn es so etwas wie eine echte Metropole in West-Afrika gibt, dann ist es definitiv Abidjan. Hier gibt es sie wieder: All diese fabelhaften Dinge und Annehmlichkeiten, an die wir Mitteleuropäer uns so gewöhnt haben, dass wir der Meinung sind nicht ohne sie leben zu können. Auch rückblickend bin ich mir nicht darüber im klaren, ob ich diese Stadt mag oder nicht - definitiv war sie aber eine sehr willkommene Abwechslung in unserem Reise-Verlauf.


Während ich zuhause niemals freiwillig Zeit in einer Shopping-Mall verbringen würde, ist dies für uns in Abidjan (nach all dieser Zeit) ein echtes Highlight. In klimatisierter, keimfreier Atmosphäre kann man durch Mega-Giga-Hyper-Supermärkte schlendern, in denen wir alles bekommen können was unsere Herzen (und Mägen) begehren. Ganz vorne mit dabei: Käse in sämtlichen Variationen und rauen Mengen!
Würden wir wollen, könnten wir uns in die Designer-Mode der aktuellen Saison kleiden und unser Outfit durch überteuerte Markenuhren und protzige Schmuckstücke komplettiern. Wir besuchen lieber Galerien, Restaurants, Eisdielen, Souvenir-Märkte und fahren wir verrückt mit dem Taxi umher, da es keinen verständlichen ÖPNV gibt.
Die Stadt hat nicht nur eine echte Skyline im Portfolio, sondern auch riesige (asphaltierte!) Highways, eigenwillige Architektur-Wunderweke, Straßenlaternen, Mülleimer, Ampeln und Werbetafeln. All das also, was bei uns zuhause so selbstverständlich ist, dass man es kaum wahrnimmt, hier aber ein absolutes Kontrast-Programm zum Rest West-Afrikas bildet. Mit dem verlassen dieser verheißungsvollen "Oase Abidjan", lässt man automatisch auch all den hier zu findenden Komfort wieder hinter sich.

Kunst-Gallerie 

Seit Dakar der erste Decathlon.

Was möchte uns diese Werbung sagen?
Vom Bier trinken ohne T-Shirt bekommen Männer überproportionierte Muskeln und ernten bewundernde Blicke
von nicht-biertrinkenden Frauen.

Es ist Africa Cup (die EM Afrikas).
Auch wenn sich bei uns in Europa kaum jemand für dieses Turnier interessiert, ist es hier eine große Sache.

merkwürdige Pyramiden-Architektur

hypermoderne Kirchen

Unser erstes richtiges Souvenir aus West-Afrika. Wir sind nun im Besitz eines Wand-Teppichs :-) 

Bling bling: Im Wohnzimmer unserer Couchsurferin Joe-Zeh


Und dann ist da noch dieser merkwürdige Ort Yamoussoukro, die offizielle Hauptstadt der Elfenbeinküste. Eine Stadt die nicht natürlich gewachsen ist, sondern vom ersten Präsidenten des Landes, Felix Houphouet-Boigny, gegründet wurde, um neben Abidjan ein weiteres Zentrum im Land zu „erschaffen“.
Man fühlt sich hier wie in einer verkehrten Welt: Während es überall sonst in West-Afrika viel zu viele Fahrzeuge für viel zu schmale Straßen gibt, gibt es hier viel zu viel Straße, die kaum genutzt wird. Beim Laufen durch die weiten, 8-spurigen Straßen der Stadt überkommt einen ein surreales Gefühl. Nach einer Weile wird einem bewusst warum: Man hat Platz!

Leere: Ein Foto wie dieses wird man vermutlich in keiner anderen afrikanischen Großstadt schießen können.


Unglaublich aber wahr, in dieser (Haupt-)Stadt von der ich nie vorher gehört habe, steht die größte Kirche der Welt! Einige Kilometer außerhalb der Stadt, mitten im nirgendwo ragt der riesige Dom in den Himmel und ist von überall aus der Stadt sichtbar. Es handelt sich hierbei ebenfalls um ein fragwürdiges Projekt des ersten Präsidenten. Nicht nur absurd wirkt das Bauwerk an dieser Stelle, es ist auch eine absolute Unverschämtheit. 300 Millionen Dollar hat der Bau gekostet, 1,5 Millionen kostet die Unterhaltung im Jahr. Eine Frechheit wenn man weiß wie weite Teile dieses Landes aussehen. Unvorstellbar was man mit diesen Millionen sonst hätte ausrichten können. Straßen, Schulen, Krankenhäuser wären ein Anfang.

Würde die Kirche wenigstens von der Bevölkerung genutzt, könnte man ihr eventuell eine Daseinsberechtigung zusprechen, doch auch das ist nicht der Fall. 18.000 Menschen haben allein im Inneren der Kirche Platz – bei einem Gottesdienst finden sich hier normalerweise höchstens ein paar Hundert ein. Ein Projekt der Sinnlosigkeit also, mit dem einzigen Ziel sich selbst ein Denkmal zu setzten.

Auch an Kreativität scheint es dem Bauprojekt gefehlt zu haben. Statt etwas eigenes zu erschaffen, ist diese Kirche eine Replika des Petersdom in Rom – nur eben noch größer. Selbst die Statuen im Inneren sind Kopien derer in Rom - gefertig nach Foto-Vorlagen. Der Guide berichtet stolz von der Einweihung der Kirche durch Papst Johannes Paul II, dem einzigen bisherigem Event an dem die Kirche komplett voll war. Was nicht berichtet wird, ist, dass selbst der Papst sich nur unter der Bedingung zu einer Segnung bereit erklärt hat, dass neben der Kirche auch ein neues Krankenhaus gebaut wird. Da man dem Papst wohl keinen Wunsch abschlagen kann, existiert nun wenigstens ein weiteres Krankenhaus als positiver Nebeneffekt.

Mitten im Nirgendwo und auch für Einheimische nur mit dem Taxi zu erreichen.



Das Gelände der Kirche gehört offiziell nicht zur Elfenbeinküste, sondern ist Teil des Vatikan-Staates


Krokodile im unartgerechte Becken vor dem Präsidenten-Palast.
Jeden Mittag um 13.00 Uhr werden die Tiere zur Bespaßung des Publikums mit lebenden Hühnern gefüttert.



Gegen 1 Uhr in der Nacht nach unserer Kirchenbesichtigung werde ich davon wach, dass mein Körper glüht und mir trotzdem eiskalt ist. Blitzschnell steht Kenneth mit dem Fieberthermometer neben mir. 38,5 Grad. Mist! Malaria, ist das erste was wir beide denken. Großer Mist!

Bei einem Verdacht auf Malaria sollte man schnellstmöglich reagieren. Angeblich können wenige Stunden über den weiteren Verlauf der Krankheit entscheiden. Also auf ins Krankenhaus - auch wenn es mitten in der Nacht ist! Im größten Krankenhaus der Stadt ist alles ausgestorben und dunkel. Wir wecken den Nachtwächter, der uns widerwillig und mürrisch auf die andere Seite des Geländes führt, während sich Kenneth dafür rechtfertigen muss warum wir hier mitten in der Nacht aufkreuzen. Wir werden von einem Gebäude ins nächste geschickt. Niemand scheint hier zu wissen was zu tun ist und unfreiwillig bekommen wir eine Tour durchs gesamte Krankenhaus, die mich nachhaltig schockiert. Im Ínnenhof liegen auf Bänken und auf dem Boden überall kranke Menschen herum. Warum ist unklar. Zu wenig Betten? Zu heiß im Inneren? Eine Ratte kreuzt unseren Weg und verschwindet in einem dunklem Winkel. Alles wirkt alt, dreckig und eklig.

Nach einer gefühlten Ewigkeit landen wir in einem Raum mit unangenehm hellen Neon-Leuchten. Mehrere kranke Menschen siechen hier vor sich hin während zwei äußerst inkompetente Frauen versuchen eine Bestandsaufnahme meines Gesundheits-Zustandes zu machen. Unter anderem muss mein Fieber gemessen werden. Dafür ist bekanntlich ein Fieberthermometer von Nöten, doch so etwas gibt es hier nicht. Mitten in der Nacht, in einer stockdunklen Stadt die wir nicht kennen sollen wir losgehen und eines besorgen. Ernsthaft? Glücklicherweise erbarmt sich eine Krankenschwester und zieht mit unserem Geld los um eines zu kaufen. Nachdem alle Formalitäten umständlich geklärt wurden, geht es endlich weiter ins Labor zum Bluttest. Der zuständige Mensch beginnt in unglaublicher Slow Motion den Prozess des Blutabnehmens. Wie kann man bloß so langsam sein? frage ich mich. Kurz danach führt meine körperliche Schwäche, der Schock über den Zustand dieses Krankenhauses und meine Angst vor Spritzen dazu das ich einfach zusammen klappe und einige Sekunden bewusstlos bin…

Nach 45 Minuten geht Kenneth das Ergebnis aus dem Labor abholen. POSITIV.  Ich habe Malaria.  Zum einen hatten wir damit gerechnet, zum anderen bin ich tatsächlich erleichtert über dieses Ergebnis. Zumindest steht nun fest was mit mir los ist. Eine Horror-Vorstellung sich in diesem Krankenhaus weiteren Untersuchungen unterziehen zu müssen.

Mit Malaria ist zwar nicht zu spaßen, jedoch gibt es gute Medikamente dagegen. Im Normalfall sorgen diese dafür, dass man nach 3-4 Tagen wieder auf dem Damm ist. Von allen Reisenden die wir in den letzten Monaten getroffen haben, gibt es kaum jemanden der noch keine Malaria hatte. Während in Deutschland bei dem Wort "Malaria" die Alarmglocken läuten und man davon ausgeht ich stünde kurz vorm Tod, ist die Frage in diesem Teil der Welt eher wie oft man bereits Malaria hatte. Früher oder später erwischt es jeden der hier länger unterwegs ist.
Angeführt wird die Hit-Liste übrigens von Tanja und Alex die zusammen bereits 6 Mal Malaria hatten.

Drei Tage lang bekomme ich jeden Morgen Parasiten-tötende Spritzen vom weltbesten Krankenpfleger verabreicht, der glücklicherweise auch mein (Reise-)Partner ist und sich großartig um mich kümmert.
Ich fühle mich in dieser Zeit etwa so, wie man sich bei einer mittelschweren Grippe fühlt. Es geht mir schlecht, aber bei weitem nicht so schlecht wie ich es von Malaria erwartet hatte.

An Tag 4 der Krankheit fahren wir zurück ins Krankenhaus um zu überprüfen ob die Medikamente angeschlagen haben. Der Test ist diesmal NEGATIV! Wir sind erleichtert. Obwohl ich nun offiziell wieder Parasiten-frei bin dauert es noch einige Tage bis ich mich fit genug fühle um weiter zu reisen.


Nach einem Boxenstop bei Eva und Robert, die mittlerweile auch in Abidjan sind und einem Kurzbesuch in Grand Bassam sind wir bereit für die nächste Grenzüberquerung nach Ghana.

koloniale Überbleibsel in Grand Bassams "French Quarter"


Street Art: Der Weg in die Unabhängikeit, das Ende der Kolonialzeit

Kunstausstellung in einer verfallenen Kolonial-Ruine

2 Kommentare:

  1. Ein sehr schöner und vor allem interessanter Bericht. Ihr seid ja echt gut rumgekommen in den letzten Jahren. :)

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  2. Hey Inga,
    da hatten wir ja eine recht ähnliche reiseroute durch Westafrika:
    https://www.travellerspoint.com/users/helihigl/

    Hab deinen blog vom buch im jambo cafe in Kasese :)

    Heli

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