25. Juli 2019

Die Suche nach den verschwundenen Stempeln.

Vanlife vs. Backpacking – Wir entdecken eine neue Art des Reisens:


Unsere Reise-Route durch West-Afrika ist angeblich eine der am wenigsten bereisten Routen der Welt. Dem entsprechend wenig andere Touristen haben wir nach Marokko getroffen oder kennen gelernt. Eine Hand voll Fahrrad-Reisende, die ein oder anderen motorisierten Overlander und genau drei andere Backpacker (zwei davon Rentnerinnen).

Umso überraschender, dass wir in unserer (mal wieder katholischen) Unterkunft in N´zérekoré in Guinea plötzlich auf eine ganze Ansammlung europäischer Reisenden treffen. Fast schon ungewohnt, so viel weiße Haut zu sehen, nach Monaten in denen wir immer nur zu zweit waren... Aber auch schön, mal wieder in touristischer Gesellschaft zu sein und uns über all die fremden Dinge in diesen Ländern aus zu tauschen, zu wundern und zu ärgern. Es vergeht kein Abend ohne ausschweifende Diskussionen, politische Grundsatz-Debatten und Gin Tonic.

Der rote Van von Eva, Robert und Hund Thio aus Berlin wird zum Treffpunkt auf dem Gelände...


...und sorgt für Neugierde unter den einheimischen Kids, die genaustens observieren was hier vor sich geht.





Es stellt sich heraus, dass wir die gleichen Pläne haben wie Eva und Robert. Und so ergibt es sich, dass wir statt mit den komplizierten Öffis des Landes, im Wagen der drei mitfahren dürfen.
Eine völlig neue Art des Reisens für uns. Plötzlich ist man fast autak unterwegs, kann losfahren, pausieren und anhalten wann immer man möchte. Der Van ist groß genug um (gefühlt) unendliche Vorräte an Essen und Getränken in seinem Inneren verschwinden zu lassen - ein Solar-Kühlschrank sorgt für verlässlichen Nachschub an eisgekühlen Drinks. Auf dem Gaskocher  kann man eigene leckere Gerichte zubereiten anstatt an dem lokalen Essen zu verzweifeln. Für uns purer Luxus.

on the road

Am Straßenrand kann man Früchte und Gemüse Eimerweise direkt von den Bauern kaufen.
Der Einheitspreis pro Eimer ist 0,75 Euro.
 

Ein "fahrendes Haus" hat hier noch niemand gesehen. Der Wagen sorgt für Neugierde, wo immer
man hindurch fährt oder anhält.



Zwischenstop. 

Haustierfreundschaft


kalte Drinks...



...und West-Afrikas mit Abstand beste Gaskocher-Topf-Pizza!

Die Grenzüberquerung von Guinea zur Elfenbeinküste wird ungeplant zum Roadtrip-Abenteuer, das man nicht so schnell vergessen wird. Da diese Geschichte so verdammt typisch für Afrika ist, muss sie an dieser Stelle unbedingt erzählt werden:

Da der meist genutzte Grenzübergang hohe Kosten bei der Überquerung mit eigenem Fahrzeug verursachen würde, nehmen wir den weiter nördlich gelegenen Übergang Dirita/Sipilou. Obwohl es sich um einen „offiziellen“ Grenzübergang handelt, lässt die wahnsinnig schlechte Sand-Piste dorthin bereits vermuten, dass hier wohl eher selten andere Fahrzeuge entlangfahren.
Fast den ganzen Tag brauchen wir um über all die tiefen Furchen und Löcher im Boden hinweg zu rumpeln bis wir endlich am vermeintlichen Grenzposten vom Militär gestoppt werden. Unseren Ausreise-Stempel möchten sie sehen... "Ähhhhh, welchen Ausreise-Stempel?" Wir sind bisher niemandem begegnet der uns einen hätte geben können… Es folgt eine ziemlich absurde Diskussion mit dem Militär-Hauptmann, der in Jogginghose und Badelatschen nur schwer ernst zu nehmen ist. Es stellt sich heraus: Eigentlich hätten wir bereits vor ca. 10km auf einen Grenzposten treffen sollen, der uns den regulären Ausreise-Stempel in den Pass gestempelt hätte. Dies war jedoch nicht der Fall, da der Beamte, absurder weise einfach in seine Heimat-Stadt zurück gefahren ist. Mitsamt des Stempels (!!!). Sein Stellvertreter, war anscheinend gerade auf dem Feld arbeiten, sodass auch dieser uns nicht begegnet ist.
Wir erklären, dass wir unmöglich, die 7 Stunden zur letzten Stadt zurück fahren könnten (und wollen) -  schließlich tragen wir keinerlei Schuld an der Situation. Ohne rechtmäßigen Stempel, werden wir hier aber auch nicht hindurch gelassen und niemand hat einen konstruktiven Vorschlag zur Lösung des Problems. Die Situation scheint ausweglos, bis Eva schließlich einfällt, dass sie durch einen Zufall die Nummer des Konsuls dieses Landes hat. Wir rufen den guten Mann an und es kommt Schwung in die Sache. Man kontaktiert den Stellvertreter auf dem Feld und einer von uns kann auf dem Motorrad eines Soldaten die 10km zum Grenzposten hin und her pendeln und alle Pässe abstempeln lassen. Statt eines Ausreise- bekommen wir zwar einen zweiten Einreise-Stempel, aber das interessiert niemanden.
Mittlerweile ist es dunkel geworden und an eine Weiterfahrt ist nicht zu denken. Zum Glück scheint das Militär uns mittlerweile ins Herz geschlossen zu haben und organisiert uns eine Übernachtungs-Möglichkeit auf dem Schulhof des Dorfes.

"Straße" zum Grenzübergang

Abendliches Kochen auf dem Schulhof am Grenzübergang


Geweckt werden wir am frühen morgen von der Stimme des Militär-Chefs persönlich. Er findet, da es hell sei, könnten wir nun weiterfahren.
Schnell sind wir die paar Kilometer Schüttel-Piste durchs No-mans-Land bis zum Einreise-Posten auf Seite der Elfenbeinküste gefahren. Es beginnt der zweite Akt des Dramas.
Der Grenzposten wurde vor ein paar Tagen von wütenden Dorf-Bewohnern überfallen und zerstört. Bei dieser Aktion ist unter anderem auch der Einreise-Stempel verschwunden, der hier eigentlich in unsere Pässe müsste. Was nun? Die sehr jungen Grenzbeamten sind völlig überfordert und hilflos, bekommen aber per Handy sehr genaue Anweisungen was nun passieren soll. Zunächst werden in beeindruckendem Zeitlupen-Tempo all unsere Daten handschriftlich in ein König der Löwen Grundschulheft übertragen. Anstatt des Stempels schreibt uns einer der Beamten handschriftlich mit Kugelschreiber in den Pass hinein, dass wir am heutigen Tag die Grenze passiert haben. Das Ganze erinnert an einen Eintag ins Poesie-Album. Mit diesem Eintrag sollen wir nun in die nächstgrößere Stadt fahren und uns dort an der Polizeistation den „richtigen“ Stempel abholen.

Stunden später erreichen wir besagte Stadt und werden sehr unhöflich und agressiv von einem offensichtlich betrunkenen Polizisten angepöbelt, der unsere Geschichte weder verstehen will noch kann. Wir sind uns alle sicher, dass nun der Zeitpunkt gekommen ist wo wir ernsthafte Probleme bekommen, aus denen man sich in West-Afrika gewöhnlicherweise „freikaufen“ muss. Die Situation droht zu eskalieren, doch wie immer kommt auch jetzt alles anders als man denkt. Mehrere Soldaten eskortieren unseren Wagen durch die Stadt zum Polizei Revier.
Hier endet die Geschichte damit, dass wir überfreundlich vom Polizeichef willkommen geheißen werden, dieser sich für die Unannehmlichkeiten entschuldigt und uns in seinem klimatisiertem Büro eisgekühlte Getränke serviert. Von Bestechungsgeld ist keine Rede mehr, nur ein Erinnerungs-Foto von unserer Reisegruppe vor dem Wagen möchte er gerne haben.

lustigster Pass-Eintrag aller Zeiten


Das erste Ziel auf Seite der Elfenbeinküste ist die Stadt Man. Auch hier campen und wohnen wir wieder auf katholischem Terrain und machen Tagestrips in die umliegenden Berge.


Man gewöhnt sich an alles: Heiligenbilder überm Bett

Der Fels im  Hintergrund nennt sich "Le dente de Man" (Die Zähne der Stadt Man)
Wunderschöne Aussichten und aufregendes Besteigen des Berges

Gipfeltreffen auf den "Dentes de Man"



Abkühlung im Wasserfall auf dem Rückweg

In Man gibt es sie noch; die guten, alten Telefonzellen.


Der größte Vorteil am Reisen mit eigenem Transportmittel ist wohl, dass man an Orte kommt die für uns mit Rucksack und öffentlichen Verkehrsmitteln praktisch kaum erreichbar sind. Wie zum Beispiel der Tika Beach, in der Nähe von San Pedro. Ein wunderbarer Traumstrand neben einem unscheinbaren Fischerdorf - Ein kleines, verstecktes Paradies. An Board des Wagens befindet sich genug Proviant um den Ort mehrere Tage lang nicht verlassen zu müssen.
Mit unserem Zelt haben wir unser eigenes "Haus" sowieso im Gepäck und wissen nun, dass dieses auch krassen, stundenlangen Regenschauern stand hält. Mittlerweile befinden wir uns in der Mitte der gefürchteten Regensaison, die weitaus harmloser daher kommt als erwartet. Es regnet nur sporadisch, meistens Abends oder Nachts und nie dauerhaft.


Tika Beach Bucht bei Sonnenaufgang


Zum Roten gesellt sich ein Blauer. Die wenigen Menschen die mit eigenem Transport durch West-Afrika fahren, sind untereinander gut vernetzt - besonders wenn sie fast den gleichen Wagen fahren ;-)



N

Spatziergang ins Dorf Tika. Wir kaufen bei dieser Fischerfamilie einen Fisch fürs Abendessen.

Nach 3 Wochen gemeinsamen Roadtrips sind aus zufälligen Reise-Begegnungen Freunde geworden. Trotzdem verlassen wir Eva und Robert in Sassandra und kehren zurück in unser Leben als einfache Backpacker. Ein riesen Dankeschön fürs Mitnehmen und die nette Gesellschaft - Wir freuen uns auf ein Wiedersehen mit Euch Dreien!

Die Diskussion ob Rucksack oder Van die "bessere" Art des Reisens ist, kann man unendlich lange führen. Beides hat so viele Vor- und Nachteile, dass das Thema zu komplex ist um eine generelle Antwort zu finden. Wir kommen zu der Schlussfolgerung, dass in diesem Moment, auf diesem Kontinent das Backpacking für uns persönlich die bessere Option ist.
Es gilt ähnliches wie beim Leben „zuhause“: Je mehr Dinge man besitzt, desto mehr Dinge gibt es auch um die man sich kümmern muss – und das kostet Geld, Zeit und Nerven. An so einem Wagen gibt es immer wieder etwas das kaputt gehen kann, repariert oder ersetzt werden muss. Man gerät in anstrengende Polizei Kontrollen, in Diskussionen mit den Dorfchefs der Orte an denen man campieren will, sowie in Korruptions-Schwierigkeiten an den Grenzen.
Auch wenn es anstrengend sein kann, wir mögen das schonungslose, ungeschützte ankommen in einer neuen Stadt, die Unterkunfts- und Nahrungs-Suche und das Gefühl mittendrin zu sein im afrikanischem Leben.
Hinzu kommt unsere absolute Ahnungslosigkeit was Autos, Fahren und Technik betrifft und nicht zuletzt der hohe Anschaffungspreis eines Wagens, der mindestens das Budget für ein gesamtes Reisejahr gefressen hätte.

Es lebe der Rucksack – solange bis wir uns für eine der nächsten Reisen ebenfalls einen Wagen kaufen werden ;-)

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