7. Juli 2019

Comme ci, comme ça...

Zwischen Frustration und Faszination in Guinea:


Liebes Guinea,
Du hast es uns nicht gerade leicht gemacht dich zu mögen.
Abgesehen von dem, im letzten Post beschriebenen, unsäglichem Zustand der Straßen und der öffentlichen Verkehrsmittel, haben wir uns ausgerechnet die Zeit des Ramadans ausgesucht um durch dich, als mehrheitlich muslimische Land, zu reisen.

Ramadan bedeutet für uns: Zusätzlich zum eh schon eingeschränktem Essens-Angebot, gibt es nun tagsüber wirklich nichts Essbares mehr in den Straßen zu finden. Dies lässt uns nicht nur ziemlich hungrig dastehen, sondern nimmt uns auch die Möglichkeit in den kleinen Buden am Straßenrand zu pausieren und nette Gespräche zu führen während man sich kurz im Schatten erholt. Ein wichtiger Teil unseres Tagesablaufes bricht einfach weg.
Dazu gesellt sich die noch immer konstant anhaltende Hitze und die Tatsache, dass wir noch nie in einem Land so wenig Strom und fließendes Wasser hatten.
Jeder Punkt für sich alleine ist kein Drama, die Kombination von allem führt jedoch dazu, dass Guinea beinahe zu dem Land wird, das uns kleinkriegt. Unser Energie-Level ist immer häufiger sehr weit unten, die Nahrungs-Situation frustriert uns und auch insgesamt gibt es immer weniger Ausschläge auf dem Wohlfühl-Barometer. Noch nie war ein Land für uns so schwer zu bereisen wie dieses.
Echter Kaffee! Er existiert, ist aber erst ab 21Uhr abends erhältlich

leider geschlossen
Strom gibt es in großen Städten von ca. 19.00 bis 23.00 Uhr.
In dieser Zeit müssen sämtliche technische Geräte aufgeladen werden.


Auf meine Frage an Kenneth was wir denn nun eigentlich besonders schön fanden in Guinea, antwortet er, es seinen wohl eher die kleinen Dinge gewesen.
Hotelbesitzer zum Beispiel, die mit uns mitten in der Nacht durch stömenden Regen laufen um uns das einzige Restaurant der Umgebung zu zeigen, Motorrad Fahrer die uns wie selbstverständlich – ohne nach Bezahlung zu fragen – nach anstrengenden Wanderungen zurück ins Dorf gefahren haben, interessante Gespräche auf Augenhöhe, viele „bienvenues“...

Nachdem diese Dame unbedingt ein Foto von mir machen wollte (mit dem Telefon, dass sie in der Hand hält),
freute sie sich sehr darüber, dass auch ich ein Foto von ihr gemacht habe.

Smalltalk an der Kaffeebude neben der großen Kreuzung

Shopping Paradise: Das Angebot an Second Hand Kleidung zum Spottpreis ist riesig.
Hier kann man die Sachen kaufen, die wir West-Europäer in die Altkleider-Container schmeißen.
Faszinierend was die Frauen hier alles auf ihren Köpfen balancieren.
Noch nie haben wir gesehen, dass etwas heruntergefallen ist.

Doch auch mindestens zwei "touristische" Highlights hatte das Land  für uns zu bieten:

1.BERGE
Um wenigsten der Hitze zu entkommen steuern wir nach der Grenze ohne Umwege das „Fouta Djalon“ an, die Bergregion Guineas, von der wir uns etwas kühlere Temperaturen erhoffen. In Dalaba lässt es sich eine Weile aushalten. Die Wanderschuhe werden wieder aus den Tiefen des Rucksacks hervor gezogen und los geht´s!
Zum ersten mal seit langem sind wir wieder so richtig im Grünen, seit Marokko gab es keine Berge und keine Vegetation in diesem Überfluss zu bestaunen.
Noch schöner als Dalaba, ist Mali-Ville, ein kleinerer Ort in den Bergen im Norden, nahe der malischen Grenze.




"La dame de Mali" Fels mit Frauen-Profil



Im überfüllten Taxi überholen wir zufällig zwei weiße Fahrradfahrer.
Es sind Fabian&Adrian unsere schweizer Reisefreunde, die wir mittlerweile schon mehrfach auf der Route wieder getroffen haben, da sie die einzigen sind, die genauso langsam reisen wie wir...


2.SCHIMPANSEN
Das zweite touristische Highlight in Guinea ist unser Schimpansen-Treck im Nationalpark Bossu. Mit 50 Euro pro Person nicht gerade ein Schnapper, aber sein Geld durchaus wert.
Da der Ausflug kein Zoo-Spaziergang ist, weiß man im Vorhinein nicht wo genau sich die Schimpansen gerade befinden, und begiebt sich mit zwei jungen Guides zunächst auf die Suche. Nach ca. 3 Stunden recht anstrengenden Wanderns über Berge und durch dichtes Unterholz stehen wir plötzlich auf einer kleinen Lichtung und nur 3-5 Meter vor uns hängt das Alpha-Männchen, der nur noch 7-köpfigen Population, vor uns im Baum.
Über eine Stunde lang können wir ihn und ein anderes Weibchen aus nächster Nähe beobachten. Da die Schimpansen in der Nähe eines Dorfes leben und Menschen gewohnt sind, haben sie keine Angst vor uns bzw. scheinen sich an unserer Anwesenheit einfach nicht zu stören. Mehrmals habe ich das Gefühl echten Blickkontakt mit dem Alpha-Männchen zu haben, während er genüsslich vor sich hin furzt und sich zwischen den Beinen kratzt. Auch die Pose in der er sich möglich bequem in eine Ast-Gabelung chillt, ist so menschlich, dass es fast schon gruselig ist.
Auf der Suche...







Gefunden!




Damit die Schimpansen nicht mit menschlichen Krankheiten infiziert werden, müssen alle Besucher
in der Nähe der Tiere einen solchen Mundschutz tragen.
Obwohl wir uns auch in Afrika immer wieder gerne in Städten aufhalten, können wir das City-Hopping in Guinea nur bedingt empfehlen. Wir haben das Gefühl, jede Stadt gleicht hier, mehr als irgendwo anders, den vorherigen: Ein Netz an staubigen Straßen, die von viel zu vielen hupenden, rücksichtslosen Motorrädern beansprucht werden, die zu meinem absoluten Objekt des Hasses werden. Dazwischen immer wieder Märkte und Händler, deren Angebot sich jedoch schnell wiederholt.
Verlässlicher Anlaufpunkt in jeder Stadt wird die „Total“ Tanke, der einzige Ort der permanent Strom zu haben scheint und somit auch der Einzige Lieferant für kühle Getränke. Act like a local – Wir setzten uns vor der Tanke auf die Plastik-Stühle am staubigen Straßenrand und machen erst mal ausgiebig Pause in bester Gesellschaft :-)

Citylife





Favorite Hangout

Wir fangen an uns auch an die allgegenwärtigen (brennenden) Müllberge zu gewöhnen




Wie auch in Deutschland lassen sich beim Warten an Bahn- und Busbahnhöfen ganz hervorragende Sozialstudien erstellen. Das ständige Warten in Guinea ist zwar extrem nervig, verschafft einem aber einen ordentlichen Überblick über das Leben und die Gesellschaft in diesem Land.
In Guinea macht es mich hauptsächlich traurig, die vielen arbeitenden Kindern zu sehen. Jungs in zerrissenen Klamotten reparieren Schuhe, kleine Mädchen tragen Mango-Schalen zum Verkauf auf ihren Köpfen, die locker einen ordentlichen Teil ihres Körpergewichts wiegen. Auch in den Autowerkstätten liegen meist kleine Jungs in ölverschmierten Shirts unter den Wagen und schrauben was das Zeug hält. Wie anders würde ihr Leben aussehen, hätten sie in der Geburtsland-Lotterie ein anderes Los gezogen...

Guinea war nicht immer einfach und sicher eines der anstrengendsten Länder durch die wir je gereist sind, doch das kann eben passieren wenn man nicht nach Mallorca fliegt...

Seit Guinea die beste Option zum Übernachten: katholische Missionen!
Schade, dass das Geld an die Kirche geht, doch sauberer und günstiger kann man nirgends wohnen.

Der vielleicht idyllischste Ort Guineas: Die katholische Mission in N´zerecore


Irgendwelche Viecher gibts immer...solange es keine großen Spinnen sind, bin ich entspannt...

Baugerüst in afrikanisch ;-)

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