5. Juni 2013

Into the wild...


Mit einem Tag Verspaetung wegen schlimmen Unwetters und Problemen beim Kauf einer so grossen Menge Benzins kann es endlich losgehen. Nachdem das kleine Boot mit all unserem Gepaeck, dem immensen Benzinfass, dem kompletten Proviant und Trinkwasser-Vorrat, Camping-Ausruestung und uns selbst beladen ist, schwimmen die Kanten nur noch sehr knapp ueber dem Wasserspiegel. Es wundert mich sowieso wie eine so kleine und vorallem schmale Boot-Konstruktion soviel Gewicht tragen kann...Zur Sicherheit befinden sich unsere (sehr wenigen) wertvollen und nicht-wasserdichten Besitztuemer in versiegelten Tueten.

Unser bepacktes Boot (ganz rechts)













Die Crew (von links nach rechts):
Inga, Kenneth, Eddie (Kapitaen),
Lisa & Tobias (die Schweizer), Juan Pablo (Hilfskapitaen)






















In diesem Boot werden wir die naechste Zeit verbingen. Muy bien! Alle sind bester Laune und mit 15 bis 20 kmh tuckern wir dem Horizont entgegen.

Pro Tag verbringen wir ca. 6 bis 8 Stunden im Boot, mittags halten wir an einem schattigen Plaetzchen am Ufer zum Kochen und ab 16.30 Uhr halten wir Ausschau nach einem schoenen, breiten Sandstrand wo wir unser Nachtlager aufschlagen koennen. Sobald dieses gefunden ist beginnt die immer gleiche Zeremonie: Schlange bilden und Boot entladen - Zelte aufbauen - Abendessen kochen und essen - Lagerfeuer machen.
Fuer Kenneth und mich, sowie fuer Lisa und Tobias gibt es jeweils ein Igluzelt als Nachtbehausung, die beiden Guides schlafen unter einer aus Staemmen, Lianen  und einer Plane bestehenden selbstgebauten Konstruktion.
Zum Kochen haben wir einen richtigen Gasherd dabei und das Essen ist immer hervorragen. So hervorragend sogar, dass ich unseren (zugegebener massen etwas ueberdiminsionierten) Vorrat an Keksen, Schokolade & Co fast garnicht anruehre.































































Puenktlich zur Daemmerung beginnt jeden Tag aufs neue der einzigst unangenehme Teil der Reise: Der Angriff der Killer-Moskitos!
In Horden fallen die nervigen Viecher ueber uns her. Ganz ehrlich: Soviele Moskitos auf einmal habe ich noch NIE in meinem Leben gesehen und wer denkt diese Beschreibung sei uebertrieben der irrt gewaltig. Um jeden unserer Koerper kreist ein riesiger Schwarm auf der Suche nach dem besten Einstichsloch und es gibt einfach kein Entkommen. Am ersten Abend hielt ich mich noch fuer aeusserst clever: „Haha, ich ziehe einfach lange Klamotten an...“ Wie naiv, das hilft garnichts! Die Moskitos sind so gross, dass sie sowohl durch Jeans wie auch durch dicke Kaputzenpullis locker hindurchstechen. Am naechsten Abend bin ich noch fester entschlossen den drohenden Bissen zu entkommen und habe die Anzahl der Bekleidungs-Schichten deutlich erhoeht: 2 Hosen uebereinander, T-Shirts, dicker Pulli, Regenjacke, Schal, dicke Turnschuhe plus das ueberteuerte Hardcore-Tropen-Mueckenspray an jeder moeglichen Stelle der Haut. Wirklich effektiv ist auch das nicht, aber besser als nichts. Erwahnt werden sollte noch, dass wir uns im Dschungel bei tropischen Temperaturen und noch dazu in der Naehe eines grossen Lagerfeuers befanden (denn Rauch vertreibt ja angeblich die Muecken...hahaha). Es ist also alles andere als spassig wie im deutschen Winter gekleidet zu sein... Trotz grosstmoeglicher Abwehrmethoden schaetzen wir die Zahl der Mueckenstiche auf ca. 400 pro Person (und auch das ist nicht uebertrieben). Zum Glueck ist in dieser Region das Malaria-Risiko relativ niedrig.



















Wenn man sich nach ein paar Tagen damit abgefunden hat gegen die Moskitos sowieso keine Chance zu haben und sich daran gewoehnt hat, dass jede Stelle des Koerpers hoellisch juckt setzt endlich die Egal-Haltung ein. Bei den unzaehlbaren Stichen kommt es auf ein paar mehr oder weniger auch nicht an. Also bleiben wir in der Nacht tapfer am Feuer sitzen und fluechten nicht mehr in die einzigst Moskito-Freie Zone, das Zelt.
Am Lagerfeuer mit den beiden Guides hoeren wir viele interessante Geschichten und lernen unter anderem die korrekte Weise des Koka-Kauens.

In fast allen Teilen Suedamerikas trifft man auf Maenner und Frauen mit merkwuerdig angeschwollenen Wangen: Darin befindet sich die Koka-Mischung: Man zerkaut ein Stueckchen Liane, spuckt dieses in eine Handvoll Koka-Blaetter, schuettet eine Art Kalkpulver darauf und formt aus diesem Gemisch einen Ball den man sich in eine Backentasche steckt. Durch langsames kauen speichelt man diesen Ball ein und stellt nach einer Weile fest, dass sowohl Zunge wie auch der restlich Mundraum betaeubt sind.
Was genau daran nun so grossartig ist, dass eine gesamte Nation dieses Ritual permanent praktiziert bleibt mir ein Raetsel. Ich persoenlich mag weder das betaeubte Gefuehl (wie beim Zahnarzt) noch den Geschmack der bitteren Blaetter.
Angeblich hilft das Koka-Kauen aber traditionell gegen Hunger, Muedigkeit und Kaelte und hat somit besonders fuer die Bauern und Bergarbeiter durchaus seine Daseins-Berechtigung.
Die Koka-Blaetter sind die Gleichen die durch hohen Einsatz von Chemikalien zu Kokain verarbeitet werden, haben aber in ihrer natuerlichen Form nichts mit der Droge zu tun. Schon ewig vor der Entdeckung des Suchtmittels wurde die Koka-Pflanze traditionell in den Anden kultiviert und gehoert hier zum taeglichen Leben wie eine Portion Reis zum Mittag.

Ausserdem erlernen wir die Tradition von allem Leckeren und Guten immer zuerst einen Teil an „Pachamama“ zu opfern. Pachamama ist die Mutter Erde die diese Geschenke hoffentlich zu schaetzen weiss und sich dafuer wohlwollend (z.B. mit gutem Wetter) bedanken wird. Wir schuetten also brav von jedem Becher Wein einen kleinen Schluck auf die Erde (hoffentlich ist Pachamama morgen nicht betrunken...) selbiges gilt fuer Suesigkeiten, Kokablaetter und Essen im Allgemeinen.

Da wir so weit von der Zivilisation entfernt sind und der Himmel fast immer voellig klar ist leuchten die Sterne und der (fast volle) Mond so hell das man kaum Taschenlampen braucht.

Schoener als die Abende ist trotzdem der Morgen an denen wir einsam und verlassen an unserem Strand wieder wach werden. Auf der einen Seite der Rio, auf der anderen der Dschungel, sonst nichts. Schooooooen...

Ein ulkiges Erlebnis war der erste Morgen des Trips an denen wir wach werden und von unseren beiden Kapitaenen und dem Boot jede Spur fehlt. Da sie alles Gepaeck, sowie die Vorraete dagelassen haben sind wir zunaechst beruhigt, werden aber nach einiger Zeit doch etwas nervoes. Nach ein bis zwei Stunden hoeren wir denn endlich das bekannte Tuckern des Bootes und bekommen wenig spaeter die Erklaerung: Garnicht weit von unserem Camp ist ein vollbeladenes Fischerboot mit seiner Ladung (kiloweise Fisch) auf Grund gelaufen und waehre wohl mit seiner kompletten Ladung umgekippt wenn unsere hilfsbereiten Guides ihnen nicht in unserem Mini-Boot zur Hilfe geeilt waehren. Als Dank fuer ihren Einsatz haben Sie einen riesigen Fisch (ca. 1m) bekommen der unser schmackhafes Mittagessen wird.























Die Zeit auf dem Boot vergeht super schnell. Da es kaum Wellen gibt und das Boot dementsprechend fast garnicht wackelt ist das Fahren sehr angenehm und man kann sich die Zeit prima mit Lesen, Schreiben, Musik hoeren, quatschen, frische Fruechte verzehren und in der Gegend herumgucken vertreiben.
Ab dem dritten Tag bauen wir unser Boot in eine Werstatt um und sind alle fleissig am saegen, schleifen und schneiden. Wir machen Ringe aus Mini-Kokosnuessen, Anhaenger aus Palmfruechten, Trinkbecher aus Kokosnuessen und Teller aus einer anderen grossen Frucht. Erstaunlich was man alles mit einem Schweizer Taschenmesser und etwas Schleifpapier herstellen kann
Auch sonst sind wir voll angekommen im Hippie-Leben: Von dem ganzen Sand und Schlamm sind wir voellig verdreckt und unsere Klamotten haben sich Kamelion-maessig der Umgebung angepasst. Alles knirscht ist eingesandet und braun. Wenn man jedoch einmal den Zustand erreicht hat an dem man dreckiger ist als der sandige, truebe Fluss spricht auch nichts mehr dagegen in diesem eine morgendliche Dusche zu nehmen...zumindest fuer den weiblichen Teil der Besatzung... Angeblich soll es in diesen Gewaessern naemlich den beruechtigten Penis-Fisch geben der,vom Urin angelockt, ins maennlichen Geschlechtsteil schwimmt, sich dort festbeisst, waechst und nur durch eine Amputation wieder zu entfernen ist.

















Mittagessem auf dem Boot




































Wie abgehaertet wir mittlerweile sind stellen wir fest als wir am Abend des sechsten Tages auf einen Alligator zusteuern der an einem huebschen Strand in der Sonne liegt. Zunaechst dachte ich wir wollten uns das Tier nur aus der Naehe ansehen, aber nein, wir errichten genau an dieser Stelle unser Nachtlager. Der Alligator hat sich natuerlich durch uns aufgeschreckt davon gemacht, aber das haelt uns nicht davon ab spaeter noch an genau dieser Stelle ein Bad zu nehmen. Auch die vielen Tierspuren die wir immer an den Straenden vorfinden (laut Eddie von Tapiren, Wasserschweinen und groesseren Voegeln) haben uns nur die ersten Male verunsichert. Leider bekommen wir ausser den Muecken kaum eines der Tiere zu Gesicht.

Entlang des Rio Beni gibt es bis auf einige wenige, kleine Kommunidades kaum menschliches Leben anzutreffen. Wenn wir an einem solchen Mini-Dorf vorbeikommen nutzen wir meist die Chance um unsere Vorraete an frischen Fruechten wieder aufzufuellen. Die Bewohner sind immer sehr freundlich und neugierig und wir sind willkommen uns an den vollbehangenen Fruchtbaeumen zu bedienen. Das bedeutet, jeder traegt soviele Grapefruits, Orangen und Kokosnuesse wie er tragen und unterwegs verspeisen kann.






















Am letzten Tag der Reise haben wir tatsaechlich kaum noch Proviant (zum Fruehstueck gibt es gekochte Kartoffeln) und auch das Benzin ist so knapp, dass bis zum Schluss nicht feststeht ob wir es bis in den Hafen von Riberalta schaffen werden. Wie immer geht aber alles gut und wir freuen uns tierisch ueber eine richtige Dusche und ein weiches Bett im Hostal.

Sowohl in der Dschungelstadt Riberalta, wie auch in Guayaramerin, unserem naechsten Stop, sind wir weit und breit die einzigen Touristen. Das hat leider auch zur Folge das es keine Gringo-Restaurants gibt und wir vorerst weiter auf guten Kaffee und Pizza verzichten muessen. Dafuer machen wir einen Abstecher nach Brasilien, denn das liegt nur eine 5 min Bootstour ueber den Fluss entfernt. Hier ist zwar alles deutlich teuerer, aber wir goennen uns ein typisch brasilianischen Buffet-Essen wo man seine Mahlzeit (sehr fleischlastig) traditionell pro Kilo bezahlt.

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