5. März 2019

Opfer des Sandes.

Nouakchott und unsere Flucht vor dem Sand:


Nouakchott, die Hauptstadt Mauretaniens ist ein merkwürdiger Ort. Normalerweise lieben wir es zu Fuß durch die Straßen zu wandern und eine Stadt so zu entdecken. Das ist in Nouakchott schlichtweg unmöglich. Über eine Million Menschen leben in dieser Stadt, die ursprünglich mal ein Fischerdorf mit 500 Einwohnern war.

Ohne genauere Planung ist Nouakchott vor ca. 60 Jahren als Hauptstadt des Landes von den Franzosen gegründet worden und seit dem rapide und unkontrolliert gewachsen. Dank absolut fehlender Städteplanung ist das riesige Gebiet, über das sich die Stadt erstreckt nun ein wildes Durcheinander aus Verkehrschaos, unsortierter Häuserblocks und weiten freien Flächen dazwischen. Ohne erkennbare Struktur haben sich Häuser und Grundstücke verteilt, überall sind Baustellen oder Bauruinen, bei denen den Besitzern nach der Hälfte der Konstruktion das Geld ausgegangen ist. Es sieht in etwas so aus als wenn über Nacht jeder sein Haus dort aufgebaut hätte wo es ihm gerade gut passte – und so ähnlich ist es auch. Je weiter man sich aus der Mitte der Stadt in die Randgebiete bewegt verändert sich die Wohnsituation von mehrgeschossigen Häusern bis hin zu improvisierten Hütten oder Zelten die mitten im Sand stehen.








Während wir in Nouadhibou eine eher enttäuschende Couchsurfing Erfahrung gemacht haben, wird diese von Sara in Nouakchott wieder mehr als ausgeglichen. Wir "surfen" mehrere Nächte auf ihrer gemütlichen Dachterrasse unter einem Moskitonetz, verstehen und hervorragend, lernen viel über das Land und fühlen uns fast wie zu hause. Ein riesiges Dankeschön!

Das touristische Highlight der Stadt ist der sehr fotogene Fischermarkt am Strand






Seit gut zwei Monaten sind wir nun in Wüstengebieten unterwegs und der permanente Sand hat deutlich seine Opfer gefordert. Sowohl unsere Körper haben gelitten (Haut ist ausgetrocknet, Haare spröde, Lippen eingerissen, Nasenschleimhäute kaputt) wie auch das materielle Zeug, das wir mit uns herum tragen. Kenneth IPhone und unsere Kamera sind dem feinen Staub zum Opfer gefallen und leider (vorerst) tot.

Während die Kamera von den Toten nicht mehr zurückzuholen ist, konnten wir glücklicherweise zumindest Kenneth Telefon reanimieren. Ein Apple Gerät in einem Land zu reparieren indem quasi keine "Marken-Elektronik" existiert stellt uns vor ungeahnte Herausforderungen.
Es wird uns ein Mann namens "Waden" empfohlen, der kennt sich gut mit IPhones aus und ist auf Nouakchotts Handy Markt zu finden. Als wir den Markt erreichen erscheint uns dieser Hinweis wie ein schlechter Scherz. Der Markt ist ein riesiges Wellblech Labyrinth indem sich hunderte kleiner Handy Shops befinden. Wie soll man hier überhaupt irgendwen finden? Da wir schon mal da sind und ein neues IPhone nicht aufzutreiben wäre, fangen wir ohne Hoffnung auf Erfolg trotzdem an uns durch zu fragen. Besagter Waden scheint ein bekannter Mann zu sein und nach wiederholtem Fragen an jeder möglichen Kreuzung des Labyrinths haben wir ihn nach einiger Zeit tatsächlich gefunden! Unglaublich: Weitere 10 Minuten und 10 Euro später ist das Telefon wieder voll funktionsfähig!

Nouakchotts Handy-Markt von oben. Irgendwo unter diesem Wellblech könnt ihr "Waden" den IPhone Experten finden.






Was wir von all dem Sand gelernt haben? Es gibt nicht „die eine Wüste“. Eine Wüste kann steinig oder sandig, flach oder hügelig, bewachsen oder ausgetrocknet, weiß bis rötlich sein. Sie hat viele Gesichter, aber nach so langer Zeit bilden wir uns ein, fast alle ihre Gesichter zu kennen. Während uns wilde Kamele zu Beginn in helle Begeisterung versetzt haben, nehmen wir sie mitlerweile nur noch als Randerscheinung wahr. Zeit den Sand endlich hinter uns zu lassen und in die Gebiete vorzudringen, die auf der Weltkarte grün statt beige eingefärbt sind.

Mit Ende unseres 30 Tage Visums verlassen wir das – wie wir finden – völlig unterschätzte Mauretanien. Wir haben viel mehr erlebt als wir je erwartet haben, viele tolle Menschen kennengelernt mit denen wir wahnsinnig viel süßen Tee getrunken haben und konnten nebenbei so manches Vorurteil das wir über dieses Land gelesen haben aus der Welt räumen.
Ja, Mauretanien ist eine islamische Republik, ja man sollte hier (wie die Einwohner) seine Schultern und Beine bedecken (das Kopftuch habe ich weg gelassen) und nein, Alkohol bekommt man hier nirgendwo. Trotzdem ist das Leben in diesem Land viel offener als erwartet und berichtet. Der Umgang zwischen Männern und Frauen beispielsweise ist weitaus lockerer als man überall lesen kann. Wer behauptet das Frauen und Männer sich zur Begrüßung nicht die Hand geben dürfen, war nicht wirklich hier! Kenneth und ich haben unzählige anders-geschlechtliche Hände geschüttelt - weil sie uns freundlich entgegen gestreckt wurden.
Erstaunt hat uns außerdem, dass Scheidungen hier anscheinend noch weiter verbreitet sind als bei uns. Fast jeder ist hier mindestens einmal geschieden und kann ohne Probleme wieder neu heiraten. Smalltalk über die Ex-Frauen gehört zu jeder gepflegten Konversation mit sämtlichen Taxifahrern (die leider immer männlich sind).

Wir finden: alle die durch dieses Land hindurch rasen, nur um den Landweg von Marokko nach Senegal zurück zu legen, haben echt was verpasst...

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