24. Februar 2019

Festival de Nomade

In einer Nomaden-Karawane durch die Wüste:


„Sernedipity“ nennt man die Fähigkeit unerwartet und zufällig etwas besonders Schönes zu entdecken oder zu finden, nach dem man eigentlich gar nicht gesucht hat. Eine Fähigkeit die wir entweder ganz besonders gut beherrschen, oder auch nur die logische Konsequenz aus unserem ungeplanten, spontanem Reise-Verhalten...
Als wir am Nachmittag in Mauretaniens Hauptstadt Nouakchott ankommen, berichtet Sara unsere Couchsurf-Host, uns von einem Festival, dass am Abend in der Stadt stattfinden soll. Spannend! Ein Festival mit Live Musik in Mauretanien, da sind wir natürlich trotz Müdigkeit dabei!

Das „Festival de Nomade“ ist ein jährlich stattfindendes Event, das von Attigh, einem Mauretanier der in Kanada lebt, iniziiert und organisiert wird. Es geht dabei um den künstlerischen und kulturellen Austausch zwischen den beiden Nationen. Einen ganzen Abend lang gibt es Musik von den eingereisten und mauretanischen Künstlern zu hören.





Für unsere Ohren ungewohnt unmelodisch, in Mauretanien eine der beliebtesten Künstlerinnen: Nora
Wir erfahren, dass zu dem Festival ebenfalls eine Karawane gehört, in der die Künstler des Festivals gemeinsam mit „echten“ Nomaden mehrere Tage lang durch die Wüste in das 110 km entfernte Heimatdorf des Veranstalters ziehen. Angeblich kann sich jeder anschließen, der Zeit und Lust hat. Kann das stimmen? Ja, kann es! Attigh heißt uns herzlich als Mitglieder der Karawane willkommen.

Am nächsten Morgen geht es los. Die Truppe von ca. 20 Personen ist bunt gemischt, fast jeder kommt (ursprünglich) aus einem anderen Land und auch von jung bis alt ist alles dabei. Musiker, Comedians, Fotografen, Film-Leute, Journalisten, Rentner, Ärzte bis hin zu uns...

Nach dem errichten des Camps trifft am frühen Abend des ersten Tages die Gruppe der Nomaden ein, mit denen wir die nächsten Tage weiterziehen werden. Die ca. 25 Kamele mit denen sie unterwegs sind sollen uns in den nächsten Tagen durch die Wüste tragen.


































Wir übernachten in „Khaimas“, den traditionellen, mauretanischen Stoff-Zelten der Nomaden, die jeden Abend an einem anderen Ort aufgebaut werden.
Wie nicht anders zu erwarten, verändert sich mit dem Untergang der Sonne die Temperatur von unerträglich heiß zu bitterkalt. Mal wieder schichten wir sämtliche Kleidungsstücke übereinander und frieren trotzdem. Ein Zustand der sich nun schon seit geraumer Zeit durch unsere Reise zieht.

in jedem Zelt kann man bequem mit 6 Personen schlafen


Auf Grund der Kälte hat zumindest in der ersten Nacht kaum einer der Gruppe gut oder viel geschlafen. Aber das ist schnell vergessen, denn am nächsten Morgen beginnt schließlich der erste Karawanen-Tag!
Noch in der Stadt hat jeder der Gruppe ein einheitliches Nomaden-Outfit für diese Reise bekommen: Einen dunkelblauen „Bubu“ - ein knöchellanger Umhang, wie man ihn in Mauretanien traditionell trägt - und eine schwarze Kameltreiber-Hose. Während ich noch sinniere in welchem Maße wir Touristen in diesem Einheitsoutfit lächerlich aussehen, muss ich bereits anerkennen, dass es hauptsächlich praktisch ist. Kombiniert mit einem Turban ist das ganze nicht nur bequem, sondern schützt auch vor Sonne, Sand und Wind!

































Im Gegensatz zu den Kamelen in Marokko, haben unsere Kamele hier einen richtigen Ledersattel, der an einen kleinen Thron erinnert. Polstert man ihn mit genug Jacken und Decken aus, kann man es eine Weile auf dem schwanken Tier aushalten (auch wenn bequem etwas anderes ist). Wir bekommen einen armlangen Stock, sowie eine kurze Einweisung in die Kunst des selbstständigen Kamel-Reitens und schon sitzen wir im Sattel.
Die Steuerung des Tieres ist in der Theorie recht simpel:
Schlag auf den Hintern: Los gehts!
Schlag auf die rechte Seite des Halses: Kamel biegt nach links ab
Schlag auf die linke Seite des Halses: Kamel biegt nach rechts ab
Je nachdem wie euphorisch man das ganze angeht können die Anweisungen mit „Arrrr Arrrr“ oder „Haaiiiii Haaiiiii“ untermalt werden.
Bei mir und meinem Kamel scheitert die Kommunikation erstens daran, dass ich das arme Tier nicht fest genug schlagen möchte und zweitens daran, dass es sehr hungrig zu sein scheint und bei jedem grünen Zweig zum snacken stehen bleibt. Ich habe Verständnis.

Touristen auf Kamelen
































Die Reisegruppe ist insgesamt ein wirklich netter Haufen, doch man merkt schon nach den ersten beiden Tagen, dass außer unserer Couchsurf-Freundin Sara kaum jemand so Reise-erprobt ist wie wir. Das Angebot im Jeep mit zu fahren, anstatt mit der Karawane zu laufen oder zu reiten, wird von vielen dankend angenommen. Auch weil die meisten unserer Mitreisenden weniger abgehärtete Mägen haben und an diversen Krankheiten leiden. Das Aufladen der Akkus der vielen technischen Geräten (Film- und Foto-Kameras, Drohnen, Handys etc.) hat höchste Priorität, sodass am Abend ins nächste Dorf oder sogar zurück in die Stadt gependelt wird wo es Strom gibt. An die wirklich wichtigen Dinge wie Sonnencreme, Taschenlampe, Zigaretten (wenn man Kettenraucher ist) oder eine Trinkflasche hat dafür niemand gedacht...

Fast jeden Abend  gibt es ein großes Lagerfeuer mit Live Musik, was wirklich sehr bezaubernd ist. Die Band „Nomad Stone“ hat neben Gitarre, Trommeln und Geige auch einen batteriebetriebenen Verstärker dabei und sorgt für unvergessliche Wüstennächte.



Der letzte Tag der Karawane hat es noch mal ordentlich in sich. Auf Grund von "afrikanischer" Planung müssen wir eine völlig unrealistische Strecke von 45 km durch die Dünen zurücklegen. Da wir morgens zu spät los gelaufen sind und die viel zu lange Mittagspause uns weiter zurück geworfen hat sind wir bei Sonnenuntergang immer noch nicht in der Nähe des Dorfes. Es wird stockdunkel und wir laufen immer noch...stockdunkel in einer Wüste ohne Lichtverschmutzung bedeutet, man sieht wirklich gar nichts...wir laufen immer noch. In Flip Flops stolpern wir durch Dornenbüsche und die Dünen hoch und runter. Gibt es einen Fachterminus für „die Angst von einer Kamel-Herde platt getrampelt zu werden“?
Zum Glück ist Mohammedou, ein ausgezeichneter und erfahrener Führer und kann sich anhand der Sterne so gut orientieren, dass wir irgendwann in der Ferne das Feuer sehen, dass der Rest der Gruppe (die mehrheitlich im Jeep vorgefahren ist) zu unserer Begrüßung angezündet hat.





Wüstenbrot: Der Teig wird im heißen Sand unter der Glut des Feuers vergraben und nach 30min wieder ausgebuddelt.

Mittagspause.
Nachdem wir in den ersten Tagen mit den Händen gegessen haben, wurden später Plastikgabeln besorgt ;-)




























Sonne und Kamelreiten ist anstrengend ;-)

Attigh - der Organisator des Festivals und der Karawane

wunderschöne, unendliche Wüstenaussichten







Back-up Jeep: angenehme Möglichkeit für alle die nicht mehr laufen/reiten können oder wollen.

Vermummungsverbot gibts nicht in der Wüste ;-)
Die letzten zwei Tage campieren wir in "Ivijarem", dem winzigem Heimatdorf von Attigh. Hier findet Teil 2 des „Festival de Nomade“ statt. Neben Kamelrennen, Showreiten, und einem Unterhaltungsprogramm für Kinder gibt es auch eine gemeinsame Jam-Session der eingereisten und lokalen Musiker.
Von den umliegenden Dörfern kommen immer mehr Menschen an und während die Frauen unermüdlich trommeln und singen führen die Männer dazu eine Art Capoaira Tanz mit Stöcken auf. Bis spät in die Nacht hört man das Gedudel des sehr dominanten Flötenspielers, der auf Grund von mangelnder Technik den Lautsprecher der Dorf-Moschee als Verstärker bekommen hat. Beispiellos schlechter Sound hält die begeisterten Dorf-Bewohner jedoch nicht vom euphorischen Mitklatschen und Tanzen ab.


Capoaira artiger Tanz der Männer


Nach 9 Tagen in der Wüste fahren wir mit den Jeeps zurück in die Stadt und somit in die Zivilisation.
Ein wirklich glücklicher Zufall (Serendipitäts-Prinzip) das wir zur richtigen Zeit am richtigen Ort waren und die richtigen Menschen kennen lernen durften. Wir freuen uns die Wüste nochmal so intensiv erlebt zu haben und die Möglichkeit gehabt zu haben mit „echten Nomaden“ dort hindurch zu ziehen. Ganz nebenbei wurden wir auf den gesamten Trip (inklusive Essen, Kamele, Bekleidung, Jeep-Transport usw.) eingeladen, da das Projekt als Kulturaustausch von Kanada und anderen Institutionen finanziert wurde.

Wir sagen: „MERCI A TOUS!“



(Da bisher leider keine der geplanten Dokus über unseren Trip veröffentlicht wurde und wir die Fernsehbeiträge der anwesenden Presse online nicht finden können, hier ein Video-Clip von der Band "Nomad Stone" die Teil unserer Karawane war und uns mit Lagerfeuer-Musik beglückt hat)

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