3. Februar 2019

Neumodischer Schnickschnack

 Anti Atlas und Sidi Ifni:


Auch wir sind Opfer moderner Technik. Mit all diesem neumodischem Schnickschnack im Internet wie Reiseblogs, wikitravel, google maps etc. ist man heutzutage (leider) meist viel zu gut vorbereitet auf das was einem am nächsten Ziel-Ort erwarten wird. Ganz unabsichtlich haben wir uns über den Anti-Atlas überhaupt nicht informiert und stellen fest wie schön es ist völlig überrascht zu werden von der Umgebung in der man sich plötzlich befindet.

Wir stationieren uns im sympathischen „Hotel les Amis“ in Tafroute und machen von hier aus mehrere Ausflüge in alle Himmelsrichtungen. Eigentlich ist es aber egal welche Richtung man sich aussucht, denn schön ist es überall.



Im Gegensatz zum High Atlas findet man hier keine Mudbrick Häuser, sondern schicke, neue Villen, die komischerweise alle unbewohnt sind (Ferienhäuser der reichen Marokkaner?)


Amlen Valley


freilaufende, glückliche Bio-Ziegen für Kenneth´s Abendessen
Der gute alte Lonely Planet empfiehlt uns den Besuch eines „Kunstwerks“ des belgischen Künstlers Jean Verame. Dieser ist in den 80ern auf die Idee gekommen (wie auch immer?) einige der Steinfelsen der Umgebung blau und rot anzumalen . Der Anblick der Felsen beeindruckt uns nur mäßig, Kenneth sagt, es sei eine "Verunstaltung der Natur".

Die Bemalung der Steine wird jährlich von den Bewohnern der umliegenden Dörfer erneuert


Aus dem Anti-Atlas fahren wir wieder zurück an die Küste, nach Sidi Ifni.
Sidi Ifni ist ein kleiner Ort, der früher eine spanische Handels-Enklave war. Hier kann man von hohen Klippen über das Meer schauen oder die hübsche Art-Deco Architektur zwischen Renovierung und Verfall bestaunen. Ohne zu übertreiben kann man behaupten, dass hier nicht wirklich viel los ist.

Leuchtturm mal anders













Die Zeiten wo in diesem Club noch getwisted wurde sind wohl schon lange vorbei

Die Fahrt von Tafroute nach Sidi Ifni ist anstrengend. Wir befinden uns mit 5 weiteren erwachsenen, großen Menschen (also insgesamt zu siebt: vier auf der Rückbank, zwei auf dem Sitz neben dem Fahrer) für mehrere Stunden in einen Kleinwagen gepresst auf einer kurvigen Straße durch die Berge.

Ohne vorherige Reservierung einer Unterkunft kommen wir völlig erschöpft und zerdrückt am späten Nachmittag an.(neumodischer Schnickschnack, diese Online-Reservierung, wer baucht das schon?!). Leider lassen sich die üblichen, geschäftstüchtigen Menschen, die einem sonst immer ein Zimmer vermitteln wollen, in diesem verschlafenen Örtchen nicht blicken.
Gerne wollen wir hier für eine Woche über Weihnachten eine Apartment mieten, aber wie?
Nach dem Zufalls-Prinzip (und weil wir gerade daneben stehen) fragen wir im örtlichen Copy Shop ob sie nicht wüssten wer uns denn hier wohl ein möbiliertes Apartment vermieten könne. Hilflose Blicke. Man zeigt auf das Frisör-Geschäft nebenan. Der Frisör hat ebenfalls keinen blassen Schimmer, deutet jedoch auf einen Hauseingang auf der anderen Straßenseite. In diesem Haus befinden sich hauptsächlich Arztpraxen und eine Art Büro, was uns plausibler erscheint. Der junge Mann im Büro scheint tatsächlich eine Idee zu haben und tippt engagiert Nummern in sein Telefon. Niemand geht dran. Mit einer umständlichen, aber detaillierten Beschreibung schickt er uns ein paar Straßen weiter in ein Geschäft für Frauenbekleidung. Wer hätte es gedacht …Trommelwirbel … in diesem Geschäft arbeitet ein Mann der ein freistehendes möbiliertes Apartment besitzt. Für knappe 15 Euro pro Nacht kommen wir hier sehr komfortabel. Manchmal muss man eben dem Schicksal eine Chance geben anstatt alles schon online vorab zu reservieren...

Das beste daran eine eigene Küche zu haben, ist auf dem Markt einkaufen gehen zu können...


...alles was man dort nicht findet gibts garantiert im örtlichen Tante Emma Markt
Die leckersten Cherry Tomaten die ich je gegessen habe


homemade Tajine von Kenneth - unser köstliches Xmas Dinner
Große Freude: Unerwartet konnten wir zwei überteuerte Flaschen Wein zu Weihnachten auftreiben


Straßenkunst, oder besser gesagt Straßen-Entertainment, ist in Marokko ein wichtiger Teil des öffentlichen Lebens. In fast jeder Stadt und jedem Ort gibt es irgendwo einen großen freien Platz, der ab Dämmerung zur Schaufläche verschiedenster Spektakel wird. Hier können Kinder in  batteriebetrieben Mini-Plastik-Autos herumfahren, man kann sein Geld in allerhand Glücksspiel investieren (oder in Wunderkräuter), es wird musiziert, Theater gespielt, Snacks verkauft.

Die Darbietung die mich am nachhaltigsten beeindruckt ist jedoch die des Geschichtenerzählers. Auf einem Platz in Tarroudant beobachten wir von unserem Cafe-Platz aus einen älteren Mann, der nichts anderes tut als erzählen. Mit Euphorie, musikalischer Untermalung und viel Gestik erzählt er (leider auf arabisch) eine offenbar spannende Geschichte. Immer mehr Menschen bleiben stehen, hören interessiert zu und werfen anschließend Geld in seinen Hut.
Ich kann mich dem Gedankenexperiment nicht entziehen: Wie würde es einem Geschichtenerzähler wohl in den hektischen Fußgängerzonen Deutschlands ergehen? Undenkbar. Wer hätte während seines "stressigen" Alltags schon Zeit und Lust einfach mal 30 Minuten stehen zu bleiben und nichts anderes zu tun als eine Geschichte zu hören?

Der Geschichtenerzähler
Da wir in den letzten Wochen zunehmend Zeit zum Lesen hatten, stehen wir nun vor der schwierigen Aufgabe Bücher-Nachschub organisieren zu müssen. Wir gehören wohl zu den letzten reisenden Menschen, die sich weiterhin stur dem Kauf eines E-Book Readers verweigern (neumodischer SchnickSchnack, beim Lesen muss man echtes Papier in den Händen halten!!!) Die großen Zeiten der gedruckten Literatur scheinen jedoch leider endgültig vorbei zu sein und für Menschen wie uns wird es immer schwieriger die ausgelesenen Papier-Bücher gegen neue einzutauschen. Zumindest wenn man einen minimalen Qualitätsanspruch wahren will.

viel Gewicht, wenig Qualität

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