17. April 2019

"Toubaaaaaaaaaaaaaab!"

Warum Gambia nicht zu unserem Lieblings-Land wird:


Komplett umgeben von Senegal, mit nur ca. 30km Atlantik-Küste ist Gambia das kleinste Land Afrikas. Darm-förmig schlängeln sich die Landesgrenzen um den „Gambia River“ der von der Küste ins Landesinnere fließt. Zu meiner Freude wird hier außerdem Englisch statt Französisch gesprochen, sodass ich endlich mal wieder fehlerfreie Konversationen führen kann.

Überfahrt mit der Fähre nach Banjul, der Hauptstadt Gambias





selten haben wir eine Hauptstadt mit so wenig Hauptstadt-Charme erlebt...

In unserem Reiseführer für coole, abenteuerlustige Individual-Touristen (Achtung:Ironie!) klingt die Beschreibung des Küsten-Gebiets Gambias sehr vielversprechend und ich freue mich schon im Voraus auf entspannte Strand-Atmosphäre und interessante Naturparks.
24 Stunden nach unser Ankunft in Kololi, dem Hauptort an der Atlantik-Küste, wissen wir, dass die Autoren unseres „Reiseführers des Vertrauens“ entweder nicht dort gewesen sind, oder eine völlig andere Auffassung der Dinge haben müssen. Unsere subjektive Meinung ist: Wer weder auf Sextourismus steht, noch auf All-inklusive-Urlaub mit Ballermann-ähnlichen Party-Straßen, wo man in Gesellschaft seiner eigenen Landsleute genau das gleiche wie zuhause Essen kann, hat kaum einen Grund hier her zu kommen.
Nach dem wir ein paar Tage lang nackte britische Bierbäuche, Europäer mit ungleich jüngeren und attraktiveren „Partnern“ sowie bemitleidenswerte Tiere in Parks angeschaut haben, beschließen wir die Flucht ins Landesinnere anzutreten – in der Hoffnung dort etwas vom „echten“ Gambia zu finden.

Treffende Postkarten-Karikatur: Gambias Atlantik-Küste ist das Mekka des weiblichen Sextourismus 


Niedliche Äffchen im Affenpark, die leider von den Touristen permanent überfüttert werden...



Wir sind bei weitem nicht die einzigen Touristen in diesem Land, allerdings unserer Erfahrung nach die einzigen die ohne Guide, eigenes Transportmittel und geplanter Rundreise unterwegs sind. Touristische Infrastruktur ist auch im Inland vorhanden, allerdings so garnicht nach unserem Geschmack. Übernachtungsmöglichkeiten gibt es hauptsächlich in Form von Luxus-Lodges die durch hohe Mauern und Sicherheits-Personal möglichst gut vom drum herum stattfinden Dorfleben der Einheimischen abgetrennt sind.

Zum Glück hat man in den Touristen-Lodges nichts dagegen, dass wir unser Zelt aufbauen. So können wir zumindest den teuren Zimmerpreisen entkommen...






Reisebekanntschaften: Nein! Wir sind nicht neidisch auf das Reisemobil von Amy & Christo ;-)

Verlassen wir (zu Fuß) die Mauern unserer Lodge sind wir überall innerhalb kürzester Zeit umringt von einer Horde kleiner Kinder. „Toubaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaab!“ kreischen die piepsigen, kleinen Stimmchen von allen Seiten in unsere Ohren. „Toubab“ ist in weiten Teilen West-Afrikas das Wort für „Weißer“, meistens gleichbedeutend mit „reicher Tourist aus dem Westen“.
Die „Toubab“ Rufe sind leider fast immer verknüpft mit den penetranten Fragen nach Süßigkeiten, Geld, Spielzeug oder was auch immer man an seinem Körper trägt. „Give me anything!“ bittet ein kleiner Junge beispielsweise. Hat man die Horde der Kinder einmal um sich gescharrt, wird man diese nicht mehr los. Auch nach 30 min wird nicht damit aufgehört uns zu verfolgen, an unseren Kleidern und Rucksäcken zu ziehen und zu betteln. Eine harte Geduldsprobe – wie lang kann man das aushalten ohne aus zu rasten?
Aus Prinzip geben wir NIE in irgendeinem Teil der Welt IRGENDETWAS einfach so an kleine Kinder – um genau dieses Verhalten nicht zu fördern. Wie wir später heraus finden gibt es im Gambia-Tourismus leider eine völlig andere Haltung dazu. Auf organisierten Bus-Touren in denen man Dörfer „besucht“ werden Touristen vorher aufgefordert Eimerweise Süßigkeiten zu kaufen um diese beim Fahren durch die Dörfer aus dem Bus heraus zu den „armen, kleinen, schwarzen Kindern“ zu werfen. Jedem Menschen mit Verstand drängt sich zwangsläufig die Frage auf „Gehts noch?“ Was soll dieses Verhalten bringen? Will man die Rolle der Weißen als (post-)koloniale gönnerhafte Reiche stärken?  Kann man sich danach selbst besser fühlen weil man seinen ungerechtfertigten Reichtum mit „den Armen“ geteilt hat? Oder findet man es einfach nur „sooooo putzig“ wie die vielen Kinder hinter dem  Auto herlaufen und spekuliert auf ein paar originelle Urlaubsfotos?

Um das hier klar zu stellen, uns ist völlig bewusst, dass die Kinder nichts für ihr Verhalten können und einfach nur dementsprechend konditioniert wurden. Wir empfehlen jedem Süßigkeiten-Fütterer sich dringend damit zu beschäftigen wie man sein überflüssiges Geld in langfristigen Projekten sinnvoller und nachhaltiger investieren kann.

Einkaufen im einzigen Geschäft des ganzen Dorfes

alleine auf den Dorfstraßen ist man sehr selten



Manchmal schafft Kenneth es die Kinder so zu bespaßen, dass sie vergessen eigentlich nur Süßigkeiten von uns haben zu wollten...








Prototypische Dorf-Straße in Gambia

Auch abgesehen von bettelnden Kindern, fühlen wir uns in Gambia wie wandelnde Dollar-Zeichen. Noch nie war es so schwierig ein Gespräch zu führen bei dem unser Gegenüber nicht nach 2 Sätzen etwas verkaufen oder haben wollte. Um jeden einzelnen Preis müssen wir verhandeln, da uns immer ein Vielfaches veranschlagt wird. Anstrengend!

Öffentliche Minibusse gibt es zwar, allerdings fahren diese nur entlang der Hauptstraße, möchte man von dort aus weiter zum Flussufer muss man entweder laufen oder horrende Preise an die Menschen bezahlen die das Monopol einer Pferdekutsche oder eines Fahrzeugs besitzen.
Zudem sind die Minibusse sensationell langsam: Alle paar Meter steigt jemand ein oder aus, Gepäckstücke werden in großen Bergen auf die Dächer gehäuft, am Freitag machte unser gesamter Bus einen Stop zum Freitagsgebet in der Moschee. Unser Rekord ist die Strecke von 40km in 7 Stunden zurückgelegt zu haben, was an Sadismus grenzt wenn man die Platz-Zustände im Inneren eines der Minibusse kennt.

Die Kombination aus all diesen Punkten führt dazu, dass wir uns in Gambia nicht sonderlich wohl fühlen und somit auch keine Lust haben viel Zeit hier zu verbringen. Ganz entgegen unser Gewohnheiten schmeißen wir nach gut 2 Wochen das Handtuch und fahren über die Grenze weiter nach Süd-Senegal.

Dieses Mädchen, das wir im Bus kennengelernt haben, schien mich irgendwie zu mögen.
Ihr Vater hat dieses Foto gemacht und uns im Anschluss per Whats App zu geschickt.
Trotzdem soll dieser Bericht nicht ganz so negativ enden. Deshalb hier zum Schluss noch etwas Positives:
Die Natur entlang des Gambia-River ist wirklich schön und eignet sich hervorragend für mittellange Wanderungen bis man das nächste Dorf erreicht. Ganz selbstverständlich macht man auf diesen Spatziergängen eine Menge Begegnungen. Wir sehen zum beispiel viele Affen die in den Bäumen herumspringen, ein afrikanisches Wildschwein (Pumba!!!), das erschrocken vor uns weg rennt und unzählige verschiedene Vogel-Sorten. Gambia hat den Ruf ein Paradies für Vogel-Experten zu sein.




Wir üben uns im Vogel-Beobachten (nein, das Foto ist natürlich nicht gestellt)

Um auch die "spannenderen" Tiere zu sehen machen wir einen kompletten Tag lang eine Bootstour auf dem Gambia River. Vom Boot aus kann man - ohne die Tiere zu sehr zu stören - Schimpansen, Krokodile, Nilpferde, Pelikane und mehr sehen.









Foto- Film- und Ton-Studio auf gambianisch :-)



Frische Früchte oder Gemüse im Land zu finden ist außerordentlich schwierig. Als wir in diesem Dorf besonders beharrlich nachfragen, wo wir denn hier Gemüse kaufen können, lässt man uns in den Gemeinschaftsgarten des Dorfes, wo wo wir für kleines Geld eine Tüte Tomaten ernten dürfen. Vitamine!!!!

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen