6. Oktober 2019

Spießer im Herzen.

Street Art, die begeistert - Schlaflosigkeit, die frustriert:




Weiter geht es in Ghanas Hauptstadt Accra. Einmal im Jahr findet in Jamestown – dem ärmsten und ältesten Teil der Stadt – ein Street Art Festival statt. „Chale Wote Festival“ nennt es sich und ist das größte, erste und einzige(?) seiner Art in West-Afrika. Zwei Tage lang lassen wir uns überrollen von einer bunten Mischung aller erdenklichen Kunstformen.


Ein Programmheft oder ähnliches gibt es nicht und so promeniert man einfach die Straßen entlang und saugt alles in sich auf, was um einen herum passiert, steht, liegt oder dargeboten wird. Verschiedene verkleidete Kunst-Figuren bevölkern die Strassen - von Fabelwesen über kunstvoll bemalte Körper bis hin zu traditionellen Kostümen verschiedener Stämme. Dazwischen zeigen BMX Gangs ihre Kunststücke auf zwei Rädern, Akrobaten verbiegen ihre Gummi-Knochen-Körper und Trommel-Gruppen trommeln sich die Seele aus dem Leib. Auf einer großen Bühne treten bis spät in die Nacht verschiedene Tanz- und Musikgruppen auf. Über die Stadt verteilt finden Filmvorführungen, Lesungen und Partys statt.
Die Ruinen der alten kolonial Forts werden genutzt um in den ehemaligen Gefängnis-Zellen verschiedenste Ausstellungen, Installationen und Performances zu zeigen. Eine sehr coole Location für diesen Zweck!

Und dann gibt es natürlich noch den Fokus und das Highlight dieses Festivals: Graffiti Street Art Künstler, deren Werke man an vielen Wänden des Viertels bewundern kann und denen man live beim Entstehen eines Bildes über die Schulter schauen kann. Zentrum ist ein Innenhof mit hohen Wänden, der innerhalb der letzten Woche zu 360° bemalt wurde. Wunderschön!

Doch keine Begeisterung ohne Kritik! Jamestown hat eine lange Geschichte als Box-Schmiede und man sieht viele Box-Clubs an den Straßenrändern. Nicht lustig finden wir das Show-Boxen kleiner Jungs die ohne Schutzkleidung und offensichtlich auch ohne technisches Training, wahllos aufeinander einschlagen. Ebenfalls nicht lustig: Bemalte Meeresschildkröten die zur Belustigung der Masse an einem Band durch die Straßen gezogen werden :-(

Insgesamt aber ein sehr cooles, sehr buntes, sehr einzigartiges und komplett kostenloses Festival das man definitiv besuchen sollte, wenn man in der Nähe ist.









traditionelle Musikgruppen auf der Hauptbühne

Schach-Turnier

Installationen in den Ruinen der kolonial Forts

Fabelwesen auf den Straßen

Für uns persönlich ist jede der großen Welt-Religionen gleich gut bzw. schlecht. Trotzdem fällt es natürlich auch uns auf, dass wir mit Ghana (nach all den überwiegend muslimischen Ländern) wieder in ein christliches Land gekommen sind. Während bei uns zu Lande die christliche Kirche immer weniger Seelen fangen kann, haben die Missionare in Ghana nachhaltige Arbeit geleistet: Hier scheint fast jeder ein überzeugter Christ zu sein. Religion und Kirche ist ein wichtiger Bestandteil des alltäglichen Lebens, den man kaum ignorieren kann.

Beispielsweise haben fast alle Geschäfte und Firmen einen Namen mit christlichem Bezug. Diese sind teilweise so absurd, dass sie immer wieder zu unserer Erheiterung beitragen und wir begonnen haben sie zu sammeln.

Hier das BEST OF, das wir gerne mit euch teilen wollen:
Gods way construction work
By his grace and mercy enterprise
Divine phones
I shall not die enterprise
God is king canteen
Still belief and hope boutique
I am blessed unisex boutique
Sweet Jesus Agro Chemicals



Natürlich gibt es noch sehr viel mehr Beispiele: Im Bus wird vor unserer Abfahrt ein Freiwilliger bestimmt, der ein Busgebet für alle Mitreisenden spricht. Menschen tragen voller Stolz Hemden und T-Shirts mit den Namen ihrer Kirchen-Gruppe. In der Öffentlichkeit lesen Menschen die Bibel (bevorzugt auf Busfahrten) und am Wochenende unternimmt man Ausflüge mit seiner Gemeinde und hält Open-Air Gottesdienste an öffentlichen Stränden ab.

All diejenigen die sich bisher über die Lautstärke der Moscheen geärgert haben, werden in Ghana eines besseren belehrt. Mit der Lärmbelästigung der ghanaischen Kirchen kann keine Moschee mithalten. Gepredigt wird mit einer unglaublich aggressiv-schreienden Stimme, die uns persönlich eher Angst einjagt als eine frohe Botschaft zu verkünden. Erinnern tut die Predigt an einen vom Teufel besessenen Priester aus Hollywood Filmen. Um sicherzustellen, dass so viele Menschen wie möglich die vermeintliche Botschaft Gottes hören, wird der wütende Wortschwall per Lautsprecher verstärkt und in die Strassen gesendet. Amen!

Falls einen nicht der Prediger vom Schlafen abhält, so ist es die laute Musik einer der vielen kleinen Bars. Auch hier gilt das Motto: Je lauter, desto besser. Auf die (schlechte) Qualität der Boxen wird dabei keine Rücksicht genommen, sodass der Sound letztendlich eher ein nervtötendes Scheppern ist. Nicht selten werden ganze Stadt-Viertel bis in den Morgen beschallt, obwohl nur zwei einsame Menschen in der Bar sitzen (die sich auf Grund des Lärms natürlich nicht unterhalten können).
Der Mix aus lauten Predigern, Musik und grundlos herumschreienden Menschen zu fast jeder Tages- und Nachtzeit führt zu einem Schlafdefizit, das mich frustriert und aggressiv werden lässt! Das Recht auf Ruhe ist absolut non-existent, doch außer uns scheint sich niemand daran zu stören...

Auch die (von meinem deutschen Standpunkt aus gesehene) permanente Langsamkeit und Ineffizienz in jedem Bereich des täglichen Lebens stellt meine Geduld auf eine harte Probe. Warum müssen wir einen halben Tag im Post-Office verbringen, bevor wir es schaffen ein Paket nach Deutschland aufzugeben? Wie kann es sein, dass man seine Karte in 15 Bankautomaten stecken muss bis einer davon Geld ausspuckt? Ich stelle fest: Ich bin wohl deutscher als ich mir bisher eingestehen konnte und wollte. Ich dachte ich sei ein globaler Hippie, doch tief in meinem Herzen bin ich wohl doch nur ein typisch deutscher Spießer...

Todesfälle und die Termine der Trauerfeiern werden in Ghana durch Aushänge an Häuserwänden in den Stadt bekannt gegeben.

An der Größe der Anzeige kann man den finanziellen Status der Familie erkennen.
Man findet alles, vom A4 Ausdruck bis zu gewaltigen Plakat am Straßenkreuzungen.

Kakaobohnen: In Ghana wächst der größte Anteil unserer leckeren Schokolade.

Und noch ein skurilles Tier aus meiner Serie der Makro-Fotografie :-)

Vorläufiger Abschied vom Strand. Nun gehts ins Innere dieses Kontinents....

Hinter den Kulissen: Was wir auf unseren Traumstrand-Bildern oft verheimlichen, sind die Berge an Müll, die hier an die meisten Strände angespült werden. Fotografiert man (wie weiter oben) aus der richtigen Perspektive, lässt sich das auf Fotos leicht verheimlichen. In der Realität ist der Müll aber leider allgegenwärtig.











In Ghana müssen wir uns leider von dem Plan des Überland-Reisens in Afrika verabschieden. Vor uns liegen Länder wie Nigeria und Kongo, deren Visa nicht nur schwer zu bekommen, sondern auch noch wahnsinnig teuer sind. Ganz abgesehen von der dortigen Sicherheitslage. Da wir bisher jedoch nur einen kleinen Teil des Kontinents kennen gelernt haben, beschließen wir auf die andere Seite, in den Osten, zu fliegen. Ruanda soll unser erste Destination werden - aus dem einfachen Grund dass es dorthin die preiswertesten Direktflüge gibt. Da sind wir ganz pragmatisch ;-)

Bye bye West-Afrika!

Was wir von Ost-Afrika erwarten? Gar nichts! Denn wenn wir bisher etwas von Afrika gelernt haben, dann, dass immer alles anders kommt als man denkt und Erwartungen einem nur im Weg stehen.

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